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Tongenau

Musikhochschule in Weimar
Tongenau

Dipl.-Ing. Marion Goldmann / red.

Als 1991 die letzten Soldaten die Kaserne am Horn in Weimar verlassen hatten, erhielt die LEG Thüringen die Aufgabe, das Areal einer neuen Nutzung zuzuführen. Nach umfangreichen Bauarbeiten nutzt nun die Musikhochschule Franz Liszt das Gebäude. Zum Erlernen der Tonkunst sind eine präzise Raumakustik und hoher Schallschutz zu den Nachbarräumen notwendig.
Aufgrund der vorhandenen Holzbalkendecken im denkmalgeschützten Hauptgebäude mussten diese extremen Anforderungen mit einer leichten Bauweise erfüllt werden. Hierfür entwickelte das mit der Ausführungsplanung und Bauleitung beauftragte Büro Rittmannsperger + Partner, Erfurt, eine ganz besondere Konstruktion.
„In jeden Raum haben wir gewissermaßen eine schallschützende ‚Kiste‘ mit integrierten Schallschutzfenstern und -türen eingestellt“, erläutert das mit der Ausführung beauftragte Büro das bautechnische Grundprinzip.
Schallschutz
Von dieser Raum-in-Raum-Konstellation wurde ein Schallschutzwert von mindestens 72 dB erwartet. Tatsächlich ergaben die Messungen im Endzustand über die Holzbalkendecke 86 dB, bei den dicken Mauerwerkswänden 80 dB und bei den Fachwerkwänden 75 dB. Um diese Werte zu erzielen, erarbeiteten zuvor Planungs- und Schallschutzbüro ein detailliertes Ausführungskonzept und testeten das Konzept in einem Musterraum.
Hergestellt wurde die „Schallschutzkiste“ als Trockenbau-Konstruktion: An den Wänden Vorsatzschalen und abgehängte Decken, bestehend aus einer Metallunterkonstruktion mit einer doppelten Beplankung aus 2 x 12,5 mm dicken Fermacell Gipsfaser-Platten.
Das Beplankungsmaterial wurde vor allem deshalb gewählt, weil dieser Trockenbaustoff Stabilität und dank der hohen Rohdichte von 1150 kg/m³ besten Schallschutz ermöglicht.
Die Ausbau-Platten bestehen aus einem homogenen Gemisch aus Gips und recycelten Papierfasern. Herstellungsbedingt erhält der Trockenbaustoff eine hohe innere Festigkeit und äußerst stabile Oberflächenqualität.
Zur Hohlraumbedämpfung befinden sich in der Wandkonstruktion 40 mm Mineralwolle und in der Trockenbaudecke 80 mm. Zwischen den Balken der alten Holzbalkendecke wurde auf den Fehlboden eine Deckenbeschwerung aus Gussasphalt eingebracht und der Hohlraum mit Mineralwolle bedämpft.
Der Rohfußboden über den Deckenbalken besteht aus zwei Lagen Baufurniersperrholz, einem schwimmend verlegten Gussasphaltestrich und vollflächig verklebtem Parkett.
Schallnebenwege im Griff
Schallnebenwege wurden bei diesem Projekt akribisch ins Visier genommen. Bekanntlich kann im Handumdrehen selbst das kleinste Leck die beste Planung kippen.
Durch den Einbau eines Schallschutzfensters sowie einer Schallschutztür in die „Gipsfaser-Kiste“ wurde der Innenraum gegen die bestehenden Räume quasi hermetisch abgeschottet. Lediglich Öffnungen für Heizungsrohre, Elektroleitungen und den Raumluftbefeuchter waren noch notwendig. Letzterer wird für die konstante Raumluftfeuchte von 55% benötigt.
Raumakustischer Ausbau
Wie der Schallschutz bedurfte auch der raumakustische Ausbau viel Fingerspitzengefühl und präzises Arbeiten. Für jeden Raum war eine Nachhallzeit vorgegeben, die über das Frequenzband möglichst konstant bleiben sollte.
Die Decke ist über die gesamte Raumlänge gefaltet, wodurch das so genannte Flatterecho vermieden wird. Es entsteht normalerweise bei parallel gegenüber liegenden Flächen.
An einer Längswand und der flurseitigen Querwand sind kombinierte Absorber angebracht. Die Vorsatzschalen erhielten zwei unterschiedliche Tiefenabsorber, die aus einem Holzraster mit einer Decklage aus dünnen, schwingenden Sperrholzplatten bestehen.
Davor angebrachte Mineralwolle dient als Mittel- bis Hochtonabsorber. Sie werden durch Well-Lochbleche abgedeckt.
Neben ihrer rein funktionalen Aufgabe verband sich mit der Wahl der Well-Lochbleche noch ein ästhetisches Ziel. Sie stellen einen gefrorenen Vorhang dar, verdeutlichen aber gleichzeitig den Werkstattcharakter der Musikhochschule.
Alt und neu im Dialog
Farbige Stahlflächen am Eingang jedes Unterrichtsraums dienen als Informationstafeln. Der besseren Orientierung wegen hat man den Farbton etagenweise von Rot im EG über Orange bis Gelb hin zum 4. OG abgestuft.
Im Wesentlichen blieb der streng symmetrisch angelegte Baukörper jedoch erhalten.
Die Kaserne entstand zwischen 1854 und 1859 nach Entwürfen von Carl Heinrich Ferdinand Streichhan. Nach einer behutsamen Renovierung kommt das Gebäude heute mit seiner historisierenden Architektur aus Elementen der Neorenaissance und des Burgenbaus wieder besonders gut zur Geltung.
Durch die nahezu unveränderten Raumstrukturen infolge der neuen Nutzung und die Tatsache, dass auch die Flure sowie die Treppenhäuser nach wie vor dem ursprünglichen „Streichhahnbau“ entsprechen, trugen Denkmalpfleger und Architekten auch der historischen Vorgabe im Inneren der Kaserne Rechnung. Um die Transporte auch großer Musikinstrumente sicherzustellen, wurde in die südliche Außenwand des Mittelturms ein Aufzug eingeschoben. Dieses gläserne Bauteil steht in einem wirkungsvollen Kontrast zu dem ansonsten geschlossenen Gebäude.
Altes und Neues gehen hier einen interessanten Dialog ein. Oben im Mittelturm wurde noch eine Cafeteria untergebracht. Der Westturm wurde dagegen zu einem über alle vier Geschosse reichenden Bibliotheksturm umfunktioniert, dessen Erschließung intern über eine leicht geschwungene Stahl-Blech-Treppe erfolgt.
Sondernutzung im Dach
Im Dachraum der Zwischenschiffe entfalten sich heute die Großräume wie der Hörsaal und der Probenraum fürs Orchester.
Dafür wurde die alte tragende Holzkonstruktion mit ihren zahlreichen Stützen und Streben durch eine frei tragende Stahlkonstruktion ersetzt.
Lediglich in einem Seminarraum blieb aus denkmalpflegerischer Sicht die alte Konstruktion erhalten. Im Vergleich zu allen anderen Räumen im Haus sind diese im Dach bei gleich hohen Anforderungen an den Schallschutz voll klimatisiert.
Auch dort oben wurde das Prinzip der Gipsfaserkiste angewendet. Die komplette innere Schale des Dachraums vom Drempel über die Schräge und Unterdecke erhielt wieder eine doppellagige Beplankung mit Gipsfaser-Platten. Vor den Dachflächenfenstern liegt in der Beplankungsebene ebenfalls eine Schallschutzverglasung.
• Gipsfaser-Platten
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