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Synergien und kurze Wege

Neubau einer Tierklinik in Hannover
Synergien und kurze Wege

Für einen Architekten gibt es typische Bauaufgaben: Seit Start des Konjunkturprogramms 2 sind dies vor allem Schulen oder Kindertagesstätten; auch Bürogebäude und Wohnhäuser zählen dazu. Eine Tierklinik allerdings zählt eher zu den ungewöhnlichen Projekten. Das Berliner Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner löste diese Aufgabe darum um so beeindruckender beim Neubau des Klinikums am Bünteweg in Hannover.

Dipl. Ing. Marc Nagel

Die neue Anlage, die seit ihrer Eröffnung drei eigenständige Tierkliniken beherbergt, ist ein wesentlicher Baustein in der Neuordnung des Campus der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Denn die Klinik für Kleintiere, die Klinik für Pferde sowie die Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel tragen nun die Adresse des Büntewegs und wurden damit vom ehemaligen Standort Bischofsholer Damm hierherverlegt.
Am neuen Ort setzt das Klinikum ein Zeichen. Die Planer entwarfen einen Gebäudekomplex, der zunächst entlang der Haupterschließung, dem Bünteweg, eine klare Raumkante bildet und so den Straßenraum gut definiert, mit seiner städtischen Architektur aber auch eine deutliche Adresse schafft. Zudem bemerkenswert an diesem Entwurf ist der Umgang mit den örtlichen Unterschieden. So wirkt ein Gebäuderiegel zur Straße hin in seinen Abmessungen und seiner Materialität eher urban, während die weiteren Gebäude in Höhe und Materialität auf den hinter dem Klinikum liegenden Naturraum reagieren. Konkret sieht dies so aus: Während vorne eine Klinkerfassade mit langen Fensterbändern dominiert, verhalten sich die Häuser hinter dem Hauptbau zurückhaltender. Sie verfügen statt über drei Geschosse nur über zwei und signalisieren mit einem Erdgeschoss aus Klinker und Aufbauten mit horizontaler Holzlattung oder Metallkassetten einen anderen Außenbezug. Insgesamt wirkt die Anlage sehr kompakt und geordnet.
Durchdachte Organisation
Um kurze Wege und eine möglichst hohe Synergie bei der Benutzung von gemeinsamen Bereichen aller drei Kliniken zu gewährleisten, ordneten die Architekten von Heinle, Wischer und Partner diese im Zentrum des Komplexes an. So sind Radiologie, Computertomografie sowie Nuklearmedizin direkt von jeder Klinik aus erreichbar.
Bei der übrigen Organisation des Klinikums wurde neben dem Blick auf mögliche Synergien zwischen den einzelnen Kliniken auch Wert darauf gelegt, dass zwischen den Räumlichkeiten der einzelnen Institute und den Untersuchungs- und Operationsräumen keine zu großen Entfernungen bestehen. Aus diesem Grund wurden die im straßenseitigen Riegel untergebrachten Institutsräume durch Baukörper ergänzt, die im Norden der Anlage die Untersuchungs- und Operationsräume der Klinik für Kleintiere sowie der Klinik für Pferde beherbergen. Die Stallungen der Pferde sowie die Unterbringungsmöglichkeiten für die Kleintiere schließen diesen Bereich ab und bilden den Übergang zum Naturraum. Volieren zur Unterbringung der Zier- und Wildvögel definieren den Gebäudeabschluss der Anlage zur Straße hin.
Konstruktiv setzte man beim Institutsriegel sowie bei den Flachbauten für die Behandlungsräume auf eine Stahlskelettkonstruktion, die auf der Basis eines 1,20 m-Rasters und einem Stützensystem von 7,20 m basiert. So konnte dank der großen Stützenabstände auf die unterschiedlichen Anforderungen auch baulich reagiert werden. Die Reithalle für die Pferde wurde als Holzkonstruktion ausgeführt.
Funktion und Material
Die Fassaden nehmen jeweils Bezug auf die Umgebung und die Funktion der Gebäude. Der Bereich entlang des Büntewegs zeigt sich mit dem Verblendmauerwerk aus „Bockhorner Klinker“ sowie den Fensterbändern in Pfosten-Riegel-Konstruktion dem städtischen Umfeld entsprechend. Die hinter dem Institutsgebäude befindlichen Untersuchungs- und Behandlungsgebäude sowie die Stallungen erhielten im Erdgeschossbereich ebenfalls eine Klinkerfassade, während die übrigen Fassadenbereiche mit einer vorgehängten, hinterlüfteten Metallkassetten-Fassade und am Stall mit einer hinterlüfteten Holzfassade aus Red Cedar sowie Eiche versehen wurde. Dass man im Erdgeschoss hier ebenfalls Klinker einsetzte, hat einen Grund. So sinkt hier die Beschädigungsgefahr durch Pferdetritte gegen die Fassade gegenüber einer Verschalung aus Holz. Die Holz- und Metallfassaden wiederum dienen dem Wunsch, das Klinikum zum Naturraum hin optisch aufzulösen, also nicht so massiv wie das Institutsgebäude am Bünteweg erscheinen zu lassen.
Insgesamt folgt auch die weitere Materialverwendung einem eigenen Gedanken. Alle eingesetzten Materialien orientieren sich an ihrer Nützlichkeit für den Klinikbetrieb. So standen bei Wänden und Böden die Fragen nach der mechanischen Belastbarkeit, der Lebensdauer, dem Alterungsprozess und natürlich der Reinigungsfähigkeit der eingesetzten Baustoffe im Vordergrund. Daneben spielte zudem der Gedanke der Nachhaltigkeit bei der Auswahl eine Rolle. Auch beim Farbkonzept nahm man Anleihen bei der Funktion des Gebäudes und ließ sich vom Erscheinungsbild der jeweils behandelten Tiere leiten, also beispielsweise in der Pferdeklinik vom Fell dieser Tiere oder bei den Vögeln von deren buntem Gefieder. So entstanden farblich interessante und trotzdem unaufgeregte Räume.
Innenansichten
Angeordnet wurden die Räume nach dem zukünftigen Ablauf in den drei Kliniken. Die Klinik für Kleintiere ist über den Haupteingang im Erdgeschoss erreichbar. Dort wurden neben dem Empfang der Klinik auch die Warteräume angeordnet. Um dabei Stress für die Tiere während des Wartens zu vermeiden oder zumindest zu minimieren, wurden die Bereiche von Hunden und Katzen getrennt. Ein Gedanke, der neben den Wartezimmern auch bei den Behandlungs- und Unterbringungsräumen umgesetzt wurde. Die Hunde werden im Erdgeschoss behandelt und untergebracht, während die Katzen im ersten Geschoss behandelt und betreut werden. Das ermöglicht neben der Trennung der Bereiche auch die Möglichkeit, den Hunden einen Auslauf im Freien zu bieten. Die Böden sind hier wie in der Klinik für Heimtiere, Reptilien und Vögel als Epoxidharzböden des Typs Disboxid 963 von Caparol ausgeführt, um vor allem leichtes Reinigen zu gewährleisten. Damit die Böden nicht rutschig sind, wurden sie mit einer Noppenstruktur versehen. Ergänzt wird die Klinik für Kleintiere durch Forschungseinrichtungen der Hochschule.
Ebenfalls direkt an die Institutsräume angeordnet wurde die Klinik für Pferde. Hier war es den Planern wichtig, die Wege der Pferde zwischen Behandlungsräumen, Stallungen und Reithalle kreuzungsfrei zu den Außenbereichen der Hunde und ebenso kreuzungsfrei zu den Kfz-Lieferwegen der Kliniken zu gestalten, um die schreckhaften Tiere nicht zu belasten. Das erforderte natürlich eine komplexe Organisation. Weil zudem Pferdehalter meist große Sorge um ihre Schützlinge haben, wurden die Operationsräume mit großen Fenstern versehen, damit das Geschehen dort beobachtet werden kann. Dies dient neben der Zufriedenheit der Pferdebesitzer natürlich auch akademischen Zwecken. Denn so sind Operationen an den Pferden für die Studenten gut zu verfolgen. Die Bereiche für Untersuchungen und Behandlungen wurden mit einem Gummimattenboden von Agronorm aus der Schweiz versehen, um den Tieren den Aufenthalt dort angenehm zu gestalten. Die übrigen Bereiche wurden mit einem strapazierfähigen Gussasphalt von Freese versehen, während die Aufwachboxen der Pferde, in die diese nach der Narkose kommen, mit einem Linatex Gummibelag belegt sind, um den hygienischen Anforderungen gerecht zu werden. Wichtig für die Unterbringung der Pferde sind auch die ebenerdigen Boxen, die teilweise als Außenboxen angelegt wurden.
Die dritte Klinik, die Klinik für Heimtiere, Reptilien und Zier- und Wildvögel, wurde aus ursprünglich zwei Kliniken zusammengelegt und findet nun ebenfalls in neuen Räumlichkeiten eine Heimat. Vor allem der Bereich für Kleintiere ist dabei eine Besonderheit in Deutschland, was durch die nun verbesserten räumlichen Gegebenheiten noch einmal verstärkt wird. Unter anderem ein Demonstrationsraum mit 88 Sitzplätzen dient der Aus- und Fortbildung der Mediziner und bietet mit seiner guten Sicht auf das Operationsgeschehen einen erheblichen Nutzen für die Klinik und Hochschule.
Gelungenes Konzept
Mit dem Entwurf von Heinle, Wischer und Partner ist es gelungen, eine sehr komplexe Planungs- und Bauaufgabe mit einem gelungenen Konzept umzusetzen. Die räumliche Organisation sowie die Ausstattung setzt die Anforderungen der einzelnen, in den unterschiedlichen Kliniken behandelten Tiere gut um und ermöglicht ein Nebeneinander von Klinikbetrieb, Lehre und Forschung. Dass dabei architektonisch wie bei der Materialauswahl auf die Umgebung gut reagiert wurde, ist ein weiterer nennenswerter Pluspunkt dieses Neubaus. So kann man dem Klinikum am Bünteweg bescheinigen, dass es funktional und ästhetisch ansprechend daher kommt und eine Bereicherung für den neuen Campus der Tierärztlichen Hochschule Hannover darstellt.
Christian Pelzeter, Partner bei Heinle, Wischer und Partner: „Mit der Inbetriebnahme des Klinikums erfolgt ein wichtiger Entwicklungsschritt für die bauliche Konzentration der bestehenden Einrichtungen der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Ziel war die Schaffung eines modernen, zukunftsfähigen Klinikums, dass seiner wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bedeutung für die Tierärztliche Hochschule gerecht wird. Unterstützt durch modernste Technik und eine exzellente Ausstattung setzt die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover mit dem neuen Klinikum zukunftsgerichtete Maßstäbe in der Tiermedizin.“ „Durch die bauliche Umsetzung konnten die spezifischen Anforderungen an die unterschiedlichen Tierbereiche optimal erfüllt werden und im Betrieb der einzelnen Kliniken Synergieeffekte genutzt werden.“
Architekten: Heinle, Wischer und Partner, Freie Architekten GbR, Berlin
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