Startseite » Allgemein »

Swinging Sixities

Hotel Ku'Damm 101 in Berlin
Swinging Sixities

Markus Hoeft

Kaum ein Bausegment hat in den letzten Jahren in Berlin so floriert wie der Hotelbau, was dem Tourismus sicher nutzt und der Stadt auch gegönnt sei. Ob es den einzelnen Häusern und ihrer Architektur zum Guten ausschlägt, darf wohl bezweifelt werden. Denn fast zwangsläufig entstanden mit der schieren Masse auch eine ganze Reihe gesichtsloser Kästen.
Und wer in der Flut der Neueröffnungen auffallen wollte, musste architektonisch tief in die Kiste entweder des protzigen Neohistorismus oder der schrillen Postmoderne greifen. Das ist den Hotelbauherren und -betreibern nicht unbedingt vorzuwerfen; auffallen gegenüber der Konkurrenz gehört schließlich zu ihrem Gewerbe.
Doch zeigen einzelne Beispiele von realisierten Designhotels, dass es auch anders gehen kann. Zum Beispiel das Hotel Ku’Damm 101 am westlichen Ende des Kurfürstendamms.
Eliminierung der Geraden
Gleich mehrere Teams von Architekten, Innenarchitekten und Designern haben hier nach einem Gesamtkonzept von Kessler + Kessler, Zürich, eine jahrelang leer stehende Investruine zu einem Drei-Sterne-Hotel umgebaut, das ein junges und urbanes Lebensgefühl vermittelt.
Dies gilt vor allem für die Innenarchitektur. Die Außenansicht hingegen präsentiert sich mit ihrer sachlich-klaren Formensprache eher unspektakulär, was u.a. an den Rahmenbedingungen des vorhandenen Rohbaus lag, der ursprünglich nicht als Hotel konzipiert war. Eine hell verputzte Lochfassade mit dunkel abgesetzten Fensterlaibungen fasst heute die verschiedenen Baukörper zu einem einheitlichen Ganzen zusammen.
Ein erstes Zeichen für das, was den Besucher innen erwartet, setzt das große Apostroph über dem Eingang. Weil der Straßenname Kurfürstendamm für Ausländer teilweise schwierig auszusprechen ist (und in der typischen Berliner Hektik auch den Einheimischen oft zu lang erscheint), wurde der Hotelname zu Ku’Damm 101 verkürzt. Aus dem Namen wanderte das Apostroph über die Eingangstür und begleitet den Hotelgast von dort weiter als Logo des Hotels auf Drucksachen, Beschilderungen und Geschirr.
Die runde Form des Apostroph auf der eckigen Fassade lässt sich auch als Leitthema für das Foyer hinter den Eingangstüren verstehen. In die nüchterne und kantige Substanz des Rohbaus setzten Ascan Tesdorpf, Berlin, als Innenarchitekt und Vogt + Weizenegger, Berlin, als Designer für die öffentliche Bereiche des Hotels ein vom Swing der sechziger Jahre geprägtes Raumerlebnis. Was sowohl wörtlich als auch übertragen zu verstehen ist.
Der elegant geschwungene Empfangstresen mit Walnussholzverkleidung gibt seinen Impuls an die Wände, Decken, Stützen und Möbel des Foyers weiter, an denen sich kaum eine gerade Linie finden lässt. Selbst die massiven Stützen mitten im Foyer – wiederum ein Erbe des Rohbaus – treten nicht als senkrechte Dominanten auf. Mit ihrer an Fischreusen erinnernden textilen Bespannung auf einer Drahtunterkonstruktion geben sie sich vielmehr, ganz im Sinne des Swing, tänzelnd leicht.
Neben der Form unterstützt das mehrfach eingesetzte indirekte Licht die Raumwirkung. So werden durch die Hinterleuchtung aus den Stützenbespannungen Lichtreusen, die sich am oberen Ende in den Lichtinseln der Deckenausschnitte fortsetzen. Entlang der Wände ziehen sich verdeckt angestrahlte Lichtbänder und Sichtkästen, die auch hier jede eventuelle Dominanz der Senkrechten brechen.
Doppelter Kontrast
Die Innenarchitektur des Foyers fasziniert auch deshalb so stark, weil der Betrachter sie hinter der konventionellen Fassade kaum vermutet hätte. Diesen Kontrast zwischen Außen und Innen erlebt der Hotelgast ein zweites Mal, wenn er sich nach dem Einchecken zu seinem Zimmer begibt.
Denn die Flure auf den Etagen präsentieren sich wieder außerordentlich nüchtern. Die weitgehend fensterlose, mehrfach abgewinkelte und an verschiedenen Podesten höhenversetzte Führung der Gänge ist wieder hauptsächlich dem Rohbau geschuldet. Die Reduktion des Raums wird durch das Fehlen jeglichen Wandschmucks sowie den Einsatz wenig intensiver Farben auf die Spitze getrieben und hat schon zu – wohl nicht ganz ernst gemeinten – Vergleichen mit Tiefgaragen geführt.
Durch die Türen der Flure betritt man dann nicht nur die Zimmer, sondern scheinbar auch eine neue Welt. Sie ist geprägt von den großzügigen und viel Licht einlassenden Fenstern und der exklusiven Möblierung, die wieder an die Retro-Klassik der Sixties im Foyer anknüpft. Etwa mit dem schlichten Bett nach Entwürfen von Kessler + Kessler, der Zunge von Arne Jacobsen oder dem mobilen „Fernsehturm“ mit Zebranoholzverkleidung (Lemongras Design Studio, München).
Das hohe Designniveau setzt sich in den über Glassteinwände belichteten Bädern fort. Jeder Anklang an den typischen Hotelzimmer-Plüsch wurde vermieden, was etwa der Fußboden aus Naturkautschuk oder die deutlich sichtbar in den Zimmer stehenden unverkleideten Stützen zeigen.
In diesen sachlichen Materialkanon mit ästhetischen und glatten Oberflächen fügt sich auch der leicht glänzende Wandanstrich ein. Jedes Zimmer ist in drei Farben nach der Polychromie Le Corbusiers gehalten, die sich an Wänden, Stützen und Decken wiederfinden. Die 1936 entwickelte und im Jahr 2000 neu aufgelegte Palette besteht aus satten Farben, die starke Kontrasteffekte untereinander bilden.
Mit dem Blick auf die Farben der Zimmer erschließt sich dem Betrachter dann plötzlich und sozusagen rückwirkend auch die Gestaltung der Flure. Denn die pastellartige Tönung in den Gängen entspricht auf jeder Etage dem Farbklang, der sich in den Zimmern intensiv und satt wiederholt.
Konsequenz der Urbanität
Neben 172 Zimmern, davon einige mit behindertengerechter Ausstattung, konnten in den vorhandenen Bau auch ein kleiner Wellness-Bereich mit Sauna und Fitnessraum sowie einige Konferenzräume integriert werden. Für den Frühstücksraum reichte es nicht mehr, was sich am Ende aber als großer Vorteil herausstellte. Denn die Architekten setzten auf den Rohbau ein Staffelgeschoss, mit dem einer der schönsten Räume des Hauses entstand.
Die Gäste beginnen den Tag hier mit einem fantastischen Blick über die Dächer Berlins. Der Frühstücksraum, von dem über Tag Besprechungsräume abgeteilt werden können, nimmt mit der Farbgebung und dem Interieur noch einmal Anklänge der Zimmergestaltung auf, erinnert mit seinen Deckenaussparungen aber auch an das Foyer im Erdgeschoss.
Wenn man so will wird „top on the building“ das gestalterische Credo des Hauses mit seiner wohltuenden Klarheit, dem konsequenten Bekenntnis zur jungen Urbanität und dem fast zeitlos wirkenden Retro-Charme zusammengefasst.
Gesamtkonzept: Kessler + Kessler, Zürich Architekten Umnutzung: Kadel Quick Scheib Architekten, Berlin Innenarchitekt: Ascan Tesdorpf, Berlin Einrichtung öffentliche Bereiche: Vogt + Weizenegger, Berlin Einrichtung Gästezimmer: Lemongras Design Studio, München
Tags
Unsere Top-3-Projekte des Monats
MeistgelesenNeueste Artikel

Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der bba-Infoservice? Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum bba-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des bba-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de