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Respektvolles Nebeneinander

Erweiterung eines Produktionsgebäudes in Neuhausen/Enzkreis
Respektvolles Nebeneinander

Industrie- und Gewerbegebiete sind häufig nicht gerade verwöhnt, wenn es um gute Architektur geht. Da fällt ein gelungenes Gebäude umso mehr auf und sorgt für klare Prägung. So geschehen im kleinen Gewerbegebiet an der Aschengasse in Neuhausen/Enz. Hier entstand nach den Plänen des Architekturbüros Jost der Erweiterungsbau für die Produktion der Firma Gindele.

Dipl. Ing. Marc Nagel

Wo sonst eher Zweckbauten das Straßenbild prägen und dem Passanten sofort vermitteln, dass er sich in einem Gewerbegebiet befindet, setzt der Neubau der Firma Gindele, einem Spezialisten im Bereich Werkzeug- und Spritzgießprodukte, ein architektonisches Zeichen. Zwar folgt die Produktionserweiterung dem Trend im Gewerbebau, mit monolithischen Formen eine geschlossene Einheit zu schaffen, doch gerade im Kontext mit dem Bestandsgebäude aus den 1990er Jahren kann der Anbau als gelungen bezeichnet werden. Dem ursprünglichen Bau mit Satteldach und postmodernen Details am Eingang setzten die Architekten Herbert und Florian Jost gekonnt einen eigenständigen Partner an die Seite, der jedoch keineswegs erdrückend oder gar dominierend wirkt. Für das ungeübte Auge entsteht sogar der Eindruck, dass beide Baukörper schon immer zusammen geplant waren.
Neugieriger Blick
Der Eindruck, man betrachtet eine Einheit statt zwei Gebäude aus unterschiedlichen Zeiträumen, wird vor allem dadurch geprägt, dass beide Baukörper ineinander über zu gehen scheinen, weil sie optisch und räumlich miteinander verzahnt sind. Dies war auch eine der wesentlichen Vorgaben für die Erweiterung: Der Produktionsfluss sollte optimiert und auf beide Gebäude verteilt funktionieren. Deshalb war es notwendig, dass der Anbau nicht abgesetzt vom Bestand und als eigene Einheit geplant, sondern mit einer direkten und den täglichen Anforderungen angepassten Verbindung umgesetzt wurde. Baulich wird dies durch die Verbindungseinheiten deutlich, die im Erdgeschoss sowie im Obergeschoss eine Brücke zwischen altem und neuem Bau schlagen.
Sie sind auch von außen gut sichtbar, werden jedoch durch ein anderes Element in den Hintergrund gedrängt. Denn was den langen Gebäuderiegel an der Aschengasse so eigenständig macht, das ist vor allem der markante Gebäudeabschluss im Südwesten. Mit einer langen Auskragung von ca. 6,5 m reckt der Bau seine Front in Form einer raumhohen Glasfassade neugierig in Richtung Straße. Gerade durch diese Geste öffnet sich der ansonsten verschlossen und kompakt wirkende Baukörper nach außen. Dabei wurde die Glasfassade, eine Pfosten-Riegel-Konstruktion von Wicona, Typ Wictec, sowohl im Obergeschoss als auch im Erdgeschoss verwendet. Dass gerade im Erdgeschoss unter der Auskragung eine Glasfassade angebracht wurde, ist ein auf den ersten Blick logisches Vorgehen. Schließlich bekommt man so noch ausreichend Tageslicht in die dort angeordneten Räume, was bei einer Lochfassade nicht im gleichen Maße gegeben wäre.
Fassade wie ein Werkstück
Neben der Glasfassade, bei der die Gläser Climaplus Cool Lite mit einem Ug-Wert von 1,1 W/m2K von Glas Herzog zum Einsatz kamen, wird der Neubau von einer Fassade aus Trapezblechen ummantelt. Diese Fassade stammt von Bemo Systems, Typ TP 20/75, und schließt nach innen mit einer Kassettenkonstruktion K 120/600, ebenfalls von Bemo Systems, ab.
Mit der Metalloptik und der leichten Ornamentik, die von den Trapezblechen erzeugt wird, soll der Anbau wie ein präzise gearbeitetes Maschinenbauteil wirken und so außen zeigen, was innen entsteht. Weil die einheitliche Blechfassade an den Längsseiten des Baukörpers durchgehend gestaltet wurden, wird auch kaschiert, dass das Gebäude in zwei Konstruktionsarten erstellt wurde. So besteht die Mischkonstruktion aus einem Stahlbetonteil und einer Stahlkonstruktion. Der Kopfbau mit Auskragung und Glasfassade wurde dabei als Stahlbetongebäude, die eigentliche Produktionshalle im nördlichen Bereich als Stahlkonstruktion entworfen.
Durchdachter Grundriss
Die zwei Konstruktionen folgen dabei dem Nutzungskonzept für das neue Gebäude. Denn neben neuen Flächen für die Produktion, die ideal in der weit spannenden und damit stützenfreien Stahlbauhalle ihren Platz finden, war eine Erweiterung von Personalräumen und Büros gefragt.
Der Grundriss selbst folgt bis ins Detail ebenfalls diesen funktionalen Überlegungen und dient ganz der Planungsvorgabe, einen reibungslosen und über Bestandsgebäude und Neubau erstreckten Produktionsablauf zu gewährleisten. Das Erdgeschoss, in dem sich die Flächen für die Produktion befinden, wird deshalb vor allem durch die große Halle geprägt. Sie ist direkt mit den Lagerbereichen sowie dem Produktionsbereich im Bestandsbau verzahnt. Dadurch wird ein Produktionsfluss von der Anlieferung bis zur Auslieferung möglich. Ebenfalls im Erdgeschoss zu finden: Die Räume für das Personal, Technik- und Lagerräume sowie der große Bereich im Südwesten.
Wechselt man ins Obergeschoss, die Haupterschließung erfolgt über den ursprünglichen Bau aus den 1990er Jahren, dann wird die zweiteilige Konstruktion deutlich. Die im Obergeschoss angeordneten Büros und Nebenräume befinden sich im Stahlbetongebäude, während die Produktionshalle hier über einen großen Luftraum mit kleiner Galerie verfügt. Ergänzt wird das Raumprogramm durch eine Fräserei.
Licht übers Dach
Betritt man die Galerie der Produktionshalle, dann sieht man, woher dieser Bereich sein Licht erhält. Denn neben zwei Lichtbänder an der westlichen Fassade kommt das Tageslicht über eine Fuge im Dach. Diese wird dadurch gebildet, dass das Flachdach über einen großen Bereich aufgeklappt wurde und so ein einzelnes Element eines Sheddachs entsteht. So wird der Nachteil behoben, dass im Osten durch den Bestandsbau kein Licht in die Erweiterung dringen kann. Die dafür notwendige Stahlkonstruktion, wie übrigens alle Stahlarbeiten am Neubau, stammen von Lauber Stahlbau aus Biedenkopf. Doch nicht nur bei Gestaltung, Konstruktion und funktionaler Grundrissplanung wurde durchdacht gehandelt. Auch bei der ökonomischen wie ökologischen Ausrichtung des neuen Gebäudes achtete man von Seiten der Planer und der Bauherren darauf, die passende Lösung zu finden, statt nach Standardvarianten zu greifen.
Gebäudetechnik
So setzten die Planer auf die intelligente Steuertechnik von tebis KNX von Hager, um die vielen Komponenten zu steuern, die letztlich dazu beitragen, dass die Gebäudetechnik ökologisch wie ökonomisch funktioniert. Sie steuert dabei die Anlage zur Gewinnung der Abwärme, die beim Betrieb der Kunststoffspritzmaschinen entsteht. Durch diese werden im Winter die Büros geheizt. Zudem erlaubt es die Steuerung per Tastendruck von Winter- auf Sommerbetrieb umzuschalten. Damit wird die Fußbodenheizung in den warmen Monaten zur Kühlung eingesetzt, da kühles statt warmes Wasser durch sie geleitet wird. Zudem sorgen Lüftungsanlagen, ebenfalls über die tebis KNX-Steuerung angefahren, für einen guten und gesunden Luftaustausch in den Produktionsbereichen und Büros. Die Verdampfungskühltürme für die Maschinenkühlung werden mit Regenwasser, das in Zisternen gespeichert wird, gekühlt.
Gesamtkonzept
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Erweiterung der Produktions- und Verwaltungsflächen gelungen ist. Das architektonische Zeichen, nicht zu dominant und trotzdem selbständig im Auftritt, die erfolgreiche Verbindung von Bestand und Neubau, die Sicherstellung eines reibungslosen Produktionsflusses durch funktionale Grundrisse und die intelligente Haustechnik sind alles Komponenten eines erfolgreich umgesetzten Gesamtkonzepts.
Dipl. Ing. (FH) Florian Jost: „Wie auch in unserem Architekturbüro, folgte die jüngere Generation der Familie Gindele in das elterliche Unternehmen. Dies wollte man nach außen zeigen: Zusammen sollte der Gebäudekomplex eine zeit- gemäße Einheit bilden, jedoch sollte jeder Bauabschnitt für sich erkennbar bleiben – ein respektvolles Nebeneinander. Der Neubau legt sich als schwebender Riegel neben die bestehende Fertigung. Intern jedoch fand eine Verknüpfung statt. Der Produktionsfluss wurde optimiert, im Obergeschoss entstanden zusammenhängende Büroeinheiten, für das Personal wurden hochwertige Räumlichkeiten im Erdgeschoss geschaffen.“
Architekt: Architekturbüro Jost, Dipl. Ing. (FH) Florian Jost, Tiefenbronn
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