Heinz-Peter Raidt, Anwendungstechnik Dörken GmbH & Co. KG, Herdecke
Spätestens seit die Energieeinsparverordnung in Kraft ist, häufen sich in den anwendungstechnischen Beratungs-Hotlines vieler Baustoffhersteller die Anrufe verunsicherter Planer.
Was verlangt die neue EnEV? Müssen Unterspann- und Unterdeckbahnen in Zukunft immer winddicht verklebt werden? Was bedeutet winddicht und was ist dann eine Luftdichtheitsschicht? Wie kann ich als Planer ein Steildach wirksam vor Wärmeverlust und Feuchteschäden schützen? Können Systempakete diese Aufgaben erleichtern?
Luftdichtheit wichtiger denn je
Um es gleich vorweg zu nehmen: Die EnEV legt großen Wert auf die Luftdichtheit der Gebäudehülle. Die Verfasser der Verordnung haben sich zwar nicht dazu entschließen können, den Nachweis der Luftdichtheit unbedingt zu fordern.
Über eine Bonus-Regelung und auch aufgrund des zunehmenden Problembewusstseins von Planern, Bauherren und Handwerkern wird in Zukunft jedoch immer öfter eine sogenannte Blower-Door-Messung gemacht werden. Denn wer die Luftdichtheit der Gebäudehülle durch diese Prüfung nachweisen lässt, kann bereits bei der Planung einen Bonus auf die rechnerischen Wärmeverluste einstreichen und damit günstiger bauen.
Im Klartext: Jedes Gebäude muss luftdicht ausgeführt werden. Aber wenn im Blower-Door-Test der Nachweis erbracht wurde, dass diese Forderung tatsächlich erfüllt ist, darf der Aufwand für die Dämmung um ein gewisses Maß reduziert werden.
Aber was ist überhaupt Luftdichtheit und wo liegt der Unterschied zu der in letzter Zeit häufig diskutierten winddichten Hülle?
Quer durch die Dämmschicht
Bei der Luftdichtheit geht es darum, das Entweichen warmer Raumluft oder das Einströmen kalter Außenluft in den Innenraum zu verhindern.
Diese Luftströmung erfolgt quer durch das Bauteil hindurch. Dabei führt die durch Leckagen verursachte Luftbewegung von innen nach außen nicht nur zu hohen Energieverlusten. Besonders in der kalten Jahreszeit besteht zudem das Risiko der Tauwasserbildung. Denn die warme Raumluft dringt – in Folge des Druckunterschiedes von innen nach außen – in die Konstruktion ein, kondensiert zum Beispiel im kalten Dachraum und lädt ihre Feuchtigkeit in der Wärmedämmung ab.
Besonders prädestiniert für derartige Luftlecks sind unsachgemäße Anschlüsse der Luftdichtheitsschicht an angrenzende Bauteile, vor allem aber die Durchführung von Bauteilen durch die Luftdichtheitsschicht hindurch.
Besonderes wichtig wird die Verhinderung von Leckagen bei sogenannten Leichtkonstruktionen wie zum Beispiel der Holzständerbauweise. Die Luftdichtheit der Gebäudehülle erfordert in diesem Falle eine eigens definierte Luftdichtheitsschicht.
Diese Luftdichtheitsschicht ist in aller Regel innen anzuordnen, denn dort lässt sie sich am einfachsten und sichersten verwirklichen. In den meisten Fällen wird die ohnehin erforderliche Dampfsperre zur Luftdichtheitsschicht ausgebildet, indem alle Überdeckungen, Anschlüsse und Durchdringungen luftdicht verklebt werden. Die Grenzwerte für eine solche Luftdichtheitsschicht sind ebenfalls in der DIN V 4108-7 und in der EnEV festgelegt.
Zur Verhinderung von Energieverlusten schreibt sie einen maximal dreifachen Luftwechsel pro Stunde (3 h -1) bei natürlicher Lüftung und einen maximal anderthalbfachen Luftwechsel pro Stunde (1,5 h -1) bei Einsatz einer raumlufttechnischen Anlage vor.
Längs durch die Dämmschicht
Bei der Winddichtheit geht es um eine vollkommen andere Problemstellung.
Hierbei soll verhindert werden, dass Wind von außen eindringt und den gedämmten Bereich einer Außenkonstruktion mehr oder weniger ungehindert durchströmt. Dabei erfolgt die Durchströmung nicht quer durch die Wärmedämmung hindurch, sondern eher in Längsrichtung durch oder parallel zu der Dämmschicht.
Anfang der 90er Jahre zeigten Untersuchungen bei belüfteten Steildachkonstruktionen, dass Windströmungen an der Oberfläche von Mineralfaserdämmstoffen zu einem höheren Wärmedurchgang von ca. zwei Prozent führen.
Dabei strömt die kalte Außenluft, die bei dieser Konstruktion ja bewusst durch das Dach hindurch geführt wird, durch die äußeren Grenzschichten der Dämmwolle und kühlt diese aus.
Weitere Untersuchungen zeigten, dass deutlich höhere Energieverluste entstehen, wenn die Dämmstoffplatten im Sparrenzwischenraum nicht dicht gestoßen sind oder wenn die Dampfsperre nicht dicht an der Innenfläche des Dämmstoffes anliegt. Denn dabei entstehen Strömungskanäle, die die kalte Außenluft nach innen und unter der Dämmschicht entlang strömen lassen.
Gelangt diese Luft anschließend wieder nach außen, so hat sie eine erhebliche Menge Wärmeenergie aufgenommen, die dadurch natürlich dem Innenraum verloren geht.
Fehlende Winddichtheit führt also zu einer Erhöhung des Wärmedurchgangs der Außenkonstruktion. Sie verursacht jedoch keine bauphysikalischen Schäden oder gravierenden Energieverluste, solange die Wärmedämmung dicht gestoßen ist.
Obwohl eine winddichte Außenhülle in bestimmten Fällen also durchaus sinnvoll ist, gibt es keine technische Vorschrift, die sie zwingend vorschreibt. Ganz im Gegenteil: Belüftete Steildachkonstruktionen zum Beispiel werden in der DIN 4108 nach wie vor als Standard aufgeführt. Da bei dieser Konstruktion bewusst Luft unter der Unterspannbahn entlang geführt wird, um Raumnutzungsfeuchte abzutransportieren, wäre hier die Verklebung der Überlappungsbereiche einer Unterspannbahn oder deren winddichte Anschlüsse an Durchdringungen ein unnötiger und auch sinnloser Mehraufwand. Denn hier geht es ja gerade darum, dass die Luft aus dem Dachraum entweichen kann.
Im Zuge ständig zunehmender Dämmstoffdicken gehen diese Konstruktionen jedoch mehr und mehr zurück. Heute dominiert das unbelüftete Dach, das die Möglichkeit zur Steigerung der Energieeffizienz bietet; zum Beispiel, indem die äußere Schicht, die Unterdeckbahn, wirkungsvoll winddicht verklebt wird.
Blower-Door-Messungen im Dach eines Testgebäudes durch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen haben gezeigt, dass durch diese winddichte äußere Verklebung die Luftwechselrate um bis zu 35 Prozent gesenkt werden kann. Dies bedeutet unter dem Strich eine Energieeinsparung von bis zu neun Prozent.
Systemlösungen bieten Vorteile
Der Schutz eines Steildaches vor Wärmeverlust und Feuchteschäden gehört von je her zu den grundlegenden Planungsaufgaben.
In Zusammenarbeit von planendem Architekten, Bauleitung und ausführendem Handwerker entsteht eine Werkleistung, die Bauschäden vermeiden hilft. Das Planungsziel wird dann erreicht, wenn auf die jeweilige Beanspruchung abgestimmte Baustoffe ausgewählt und fachgerecht verarbeitet werden. Dieses Planungsziel kann sowohl mit Dachsystemen wie auch mit Individuallösungen sicher erreicht werden.
Die Systemlösung bietet für den Planer jedoch den Vorteil, dass ein großer Teil der Verantwortung vom Architekten auf den Systemanbieter verlagert wird.
Bei der Individuallösung dagegen ist die Sicherheit nur so groß wie die Erfahrung des planenden Architekten, der alle ausgeschriebenen Materialien und deren Anwendungsmöglichkeiten, aber auch ihre Anwendungsgrenzen kennen muss.
Der Trend geht deshalb in vielen Bereichen der Technik in Richtung Systemlösungen mit einander ergänzenden Systemkomponenten, die vom Hersteller in sorgfältigen Entwicklungsprozessen zusammengeführt wurden. So müssen die verschiedenen Baustoffe, die zu einer Gesamtmaßnahme beitragen sollen, vom Architekten nicht immer wieder neu auf ihre Verträglichkeit hin überprüft werden.
Sicherheit auf beiden Seiten
Die Sicherheit einer Konstruktion ist aus zweifacher Sicht zu betrachten. Das eine ist die Ausführungssicherheit; dabei ist es jedoch nicht nur entscheidend, dass die einzelnen Materialien zueinander passen. Die Einzelkomponenten müssen auch über die notwendige Dichtheit, Festigkeit oder Robustheit verfügen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.
Der zweite Aspekt ist die Planungssicherheit. Hier geht es darum, dass die verschiedenen Schichten einer Konstruktion auch in ihren bauphysikalischen Eigenschaften zusammenpassen müssen. Häufig wird der Wunsch nach einer „atmenden“, also sehr diffusionsoffenen Dachkonstruktion geäußert. Hier sind natürliche Grenzen gezogen, denn zu „atmungsaktive“ Aufbauten können zu Schäden führen, wenn außenliegende Schichten unberücksichtigt bleiben, die vom Gefühl her „natürlich“ und damit ebenfalls atmungsaktiv sind. Wer denkt schon daran, dass eine Holzschalung einen vielfach höheren Diffusionswiderstand aufweist als die modernen Schalungsbahnen, die darauf verlegt werden?
Um beide Sicherheiten zu garantieren, sollte auf Universalsysteme zurückgegriffen werden, die hohe Reserven bieten.
Das ist zum Beispiel eine Konstruktion, die außen diffusionsoffen ist und innen eine Luftdichtheitsschicht mit einem sd-Wert von 100 m hat. Diese muss natürlich in allen Überlappungs- und Anschlussbereichen fachgerecht verarbeitet sein, damit sie ihre Funktion erfüllen kann. Hier helfen zum System gehörende Abdichtungs- und Klebebänder und leistungsfähige Kartuschenkleber, die auf die Materialeigenschaften der Bahn abgestimmt sind.
Luft- und Winddichtheit vereint
Eine Konstruktion, die die Prinzipien Luft- und Winddichtheit vereint, wäre unter dem Gesichtspunkt der Energieeinsparung natürlich optimal: eine vollgedämmte Konstruktion mit fachgerecht verarbeiteter Luft- und Dampfsperre und hohem sd-Wert innen und winddicht verklebter Unterdeckbahn außen.
Bei einer Unterdeckbahn mit integriertem Selbstklebeband ist dies noch nicht einmal mit einem zusätzlichen Arbeitsgang verbunden und auch die Suche nach geeigneten Klebematerialien erübrigt sich. Ein solch hochwertige Systemlösung ist nur auf den ersten Blick teurer. Sie rechnet sich durch die gesparten Heizkosten bereits nach wenigen Jahren.
• Luft- und winddichte Steildachkonstruktionen
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