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Lochkarte gefaltet

Neubau Lagerhalle in Weiden
Lochkarte gefaltet

Der Architekt spricht vom „Kleid“. Die Fugen zwischen den Betonplatten nennt er „Nähte“. Ein weißes Kleid also mit wild verteilten Rauten darauf. Kein Ballkleid, sondern eher eines für alle Tage.

Denn die Halle, um die es geht, ist die Fassade, die Rauten sind die Fenster einer Lagerhalle. Das Berliner Büro weber+würschinger setzte beim Bau konsequent auf Porenbeton und Glas. Das Ergebnis ist eine aufregend rhythmisierte Halle, die zudem auch noch funktional ist.
Reiner Zweckbau?
Bis noch vor ein paar Jahren gab es für Gewerbebauten wie Lagerhallen eine Art genetischen Plan, den die meisten Architekten zwanghaft umsetzten: Schaffe eine wettergeschützte Fläche für eine flexible Nutzung. Nicht mehr, eher weniger.
Das Ergebnis waren dann meist klotzige Billigbauten, die wegen ihrer Größe unglücklicherweise auch noch weithin sichtbar waren. Seit einigen Jahren aber haben immer mehr Architekten den Ehrgeiz, ihre Kreativität auch bei Zweckbauten zu beweisen.
Zuweilen kann man gar den Eindruck gewinnen, dass sich die Architektur-Avantgarde zunehmend im Lager der Lagerbauer umtreibt. Selbst prominenteste Architekten haben sich zuletzt dem Thema gewidmet.
Konstruktion
Die Berliner Architekten Michael Weber und Klaus Würschinger entwerfen und bauen seit fünf Jahren Industrie- und Gewerbebauten. 2001 haben sie im bayerischen Weiden eine Lagerhalle für einen Textil-Versandhandel entworfen und gebaut. Das Besondere daran ist die Fassade aus preiswertem Porenbeton.
„Das ist eigentlich ein gewöhnlicher Baustoff, der beim Bau vieler Gebäude auf billige und hässliche Weise eingesetzt wird“, sagt Würschinger.
Trotzdem verwarfen sie andere Lösungen aus Holz oder Aluminium nicht nur aus Kostengründen. „Es reizte uns, das mit Porenbeton auszuprobieren“, sagt Klaus Würschinger.
Eine konventionelle Skelettkonstruktion aus vorgefertigten Stahlbeton- und Spannbetonteilen bildet das Tragwerk. Die Aussteifung des Bauwerks erfolgt über die eingespannten Stahlbetonstützen. Die 22 cm starke Stahlbetonbodenplatte mit Fußbodenheizung wurde mit einer Hartstoffverschleißschicht versiegelt. Um viel Bewegungsfreiheit im Inneren zu garantieren, konzipierten die Architekten das Gebäude ohne Mittelstützen. Die Dachträger überspannen 34 m. Die Lastverteilung der 7,50 m hohen Regale erforderte zusätzliche Blockfundamente. Die Dachfläche wurde als Warmdach, bestehend aus einer Trapezblecheindeckung, Wärme- dämmung und Folienabdeckung konzipiert.
Morsezeichen
Kräftigstes Merkmal des quaderförmigen Gebäudes ist die scheinbar wilde Anordnung der Fenster auf allen vier Gebäudeseiten. Der visuelle Eindruck, der entsteht, ist der einer im Block gefalteten Lochkarte, jener Datenträger aus der Frühzeit der digitalen Ära.
Die Fassade also als Träger eines binären Codes? In Glas und Beton gefasste Morsezeichen, die eine geheime Nachricht in sich bergen?
Wohl kaum. Aber die Verteilung der Fensteröffnungen ist genau wie die Löcher in der alten Lochkarte alles andere als zufällig. Würschinger: „Sie hat einen Bezug zum Innenraum und ergibt sich aus der Position der Regale, den Flurbreiten und der Höhe des Regalsystems.“
Er beschreibt die Entstehung des rhythmischen Musters so: „Wir haben zwei Fassaden-Module unter statischen Erwägungen maximal mit Fenstern versehen. Dann haben wir angefangen, nach ästhetischen und funktionalen Gesichtspunkten Fenster herauszunehmen.“
Um so zu arbeiten, mussten die Architekten wissen, wie das Innenleben der Halle aussehen wird, wie die Regalmöblierung exakt verläuft. Denn wem nutzt die spannendste Fassade, wenn die Fenster innen keine sinnvolle Lichtverteilung schaffen?
„Wir haben deswegen vorher mit dem Regalbauer gesprochen und mit ihm einen Plan erarbeitet, der festschrieb, wie die Regale stehen werden“, sagt Michael Weber. Mit dieser Information gingen sie daran, die Fenster leicht versetzt und doch punktuell auf den Innenraum auszurichten.
„Die großen Fenster fallen auf die Gänge zwischen den Regalen“, sagt Weber. „Denn hauptsächlich dort wird viel Licht gebraucht.“
weber+würschinger sprechen von einer oszillogrammartigen Verteilung. „Anders als bei einem Bürogebäude, bei dem eine bandweise Belichtung zweckmäßiger ist, wollten wir eine punktuellen Belichtung für das Innenleben der Halle erreichen. Und unsere Fensteranordnung kommt dem entgegen.“
Es gibt nur zwei Fenstergrößen, weil diese aus Gründen der Statik nur die einfache oder die doppelte Breite der 50 cm breiten Porenbetonplatten haben durften. Anderenfalls wäre die Lastabtragung der Platten nicht gewährleistet gewesen.
Spannende Ordnung
Entstanden ist so ein digitales Band, das keinen Anfang und kein Ende zu haben scheint und sich scheinbar immer neue Fenster-Konstellationen erspielt.
Scheinbar, denn dass es nur zwei jeweils 6 m breite unterschiedliche Fassaden-Module sind, die abwechselnd hintereinander stehen, ist für den Betrachter kaum wahrnehmbar.
Diese Beschränkung auf nur zwei Variationen ist es wohl auch, die die fertige Fasssade zugleich spannend und doch aufgeräumt erscheinen lässt. Und nicht zuletzt hielten die Architekten auf diese Weise auch die Baukosten im Zaum.
Nur vier der insgesamt 36 Fassadenmodule erhielten eine leicht veränderte Fensteranordnung, weil Treppen und andere Sonderfunktionen dies erforderten. Die Elemente wurden einzeln von unten nach oben ineinandergesetzt, wobei die Öffnungen bis zum endgültigen Einsatz der Fenster mit Holzleeren versehen wurden.
Eine Ausrichtung bekommt der Block vor allem durch die rückseitigen Lieferrampen und Treppengerüste aus Sichtbeton und verzinktem Stahl.
Ganzheitlich
weber+würschinger wollten, dass die Halle ein ganzheitliches Bild abgibt. Das haben sie u.a. mit einer subtilen naturbelassenen Materialauswahl erreicht.
„Da spielt die Materialechtheit eine Rolle“, sagt Würschinger über die Fassade, die sich praktisch nur aus vier Materialien und Farbtönen gestaltet: Sichtbeton und Porenbeton, Glas und eloxiertes Aluminium bei Fensterrahmen und Attikaabdeckung.
Um den Eindruck des Materials noch zu erhöhen, wollten die Architekten die offenporige Betonstruktur ursprünglich nur lasieren. Das war dem Bauherrn zu rau. Man einigte sich auf eine Farbbehandlung in einem Ton, der dem Originalmaterial sehr nahe kommt.
Würschinger: „Viele Gewerbebauten wirken sehr aufgeregt, weil verschiedene Farben eingesetzt werden. Wir wollten aber etwas Subtiles mit einer natürlichen Haptik. Es sollte wie ein schönes Kleid sein.“
Weitere Informationen
Porenbetonwand bba 531
Architekten: Weber+Würschinger, Berlin und Weiden, Projektarchitekten: Michael Weber, Klaus Würschinger Mitarbeiterin: Michaela Holzwarth Tragwerksplanung: Ingenieurgruppe Schieder Weiden
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