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Kulturbotschaft integriert

Lloyd-Hotel in Amsterdam
Kulturbotschaft integriert

Robert Uhde

Seit den 40er Jahren wurde die 1921 im Amsterdamer Hafengebiet errichtete Auswandererherberge des „Koninklijke Hollandsche Lloyd“ als Gefängnis genutzt. Nach den Planungen der Rotterdamer MVRDV Architekten wurde der denkmalgeschützte Bau jetzt zu einem Hotel umgebaut.
Die insgesamt 116 Zimmer wurden dabei in Zusammenarbeit mit renommierten niederländischen Designern und Künstlern gestaltet.
Die Umnutzung der ehemaligen Amsterdamer Osthäfen gehört zu den umfangreichsten städtebaulichen Planungen Europas. Seit Anfang der 90er Jahre sind hier rund 6 000 Wohnungen für rund 20 000 Bewohner entstanden. Nachdem die Bebauung der verschiedenen Hafenmolen inzwischen abgeschlossen ist, konzentrieren sich die Anstrengungen gegenwärtig auf die Entwicklung der am Südufer des Flusses Ij gelegenen Haupterschließungsachse Oostelijke Handelskade, die das Hafengebiet direkt mit dem Hauptbahnhof und der Innenstadt verbindet.
Direkt an dieser Schlagader – zwischen einigen wenigen noch verbliebenen alten Packhäusern und zahllosen neuen Wohn- und Geschäftsbauten – liegt auch die 1921 nach Plänen von Evert Breman errichtete und dabei mit Elementen der Amsterdamer Schule, des Art Dèco und der Neo-Renaissance gestaltete ehemalige Emigrantenherberge des Koninklijke Hollandsche Lloyd.
Bis in die 30er Jahre hinein verbrachten hier die überwiegend aus Osteuropa stammenden Auswanderer ihre letzten Nächte auf europäischem Boden, bevor sie in Richtung Mittel- oder Südamerika aufbrachen.
Inspirierte Umnutzung
Nach dem Konkurs des Unternehmens 1935 wurde der Bau seit den 40er Jahren als Gefängnis genutzt – zunächst durch die deutschen Besatzer, die hier Angehörige des Widerstandes inhaftierten, nach 1945 zur Verwahrung von Kollaborateuren und später dann als Jugendhaftanstalt.
Seit 1989 wurden die Räume schließlich als Werkstätten an Künstler vermietet. Aufgrund des inzwischen recht baufälligen Zustandes – und um den Bau in das künftige Ambiente des sukzessive umgewandelten Hafenareals einzufügen – schrieb die Stadt Amsterdam Mitte der 90er Jahre einen Ideenwettbewerb für eine inspirierte Umnutzung des Gebäudes aus, der schließlich durch eine Gruppe um die beiden Künstler Suzanne Oxenaar und Otto Nan gewonnen wurde.
Ein zentraler Baustein ihres Plans, den Bau zu einem Kreativ-Hotel mit individuell gestalteten Räumen um- bzw. „wiederzunutzen“, war die Integration einer sogenannten Kulturbotschaft, die Gäste und Besucher über die Amsterdamer Kunst- und Kulturszene informiert, in der man Karten für Theaterleistungen und Konzerte kaufen kann und die kulturelle Events wie Performances, kleine Ausstellungen oder Theateraufführungen organisiert.
Von Schwere befreit
Mit der Umbauplanung des achtgeschossigen Ziegelbaus wurden 1997 die Rotterdamer MVRDV Architekten beauftragt – bekannt durch ihre ungewöhnlichen Raumkonzepte mit oftmals übereinander geschichteten Ebenen wie etwa beim Niederländischen Pavillon auf der Expo 2000. Ihr zentraler Planungsgedanke war die „Befreiung“ und Öffnung des Gebäudes von seiner geschichtlichen Schwere.
Von außen betrachtet hat sich dabei kaum etwas verändert – die Fassade mit den bleiverglasten Fenstern, das Dach und die Tragstruktur waren weitgehend intakt und brauchten nur leicht saniert zu werden.
Und auch der Eingangsbereich wird nach wie vor durch die historischen Wand- und Bodenfliesen aus der Zeit des Art Dèco dominiert. Von dort aus, direkt hinter der leuchtend gelb gestalteten Empfangsbox, fällt der Blick jedoch geradeaus in den kühl möblierten Lunchroom im völlig entkernten südlichen Teil des Gebäudes.
Gebäudehohe Lufträume
Zentraler Blickfang sind hier zwei gebäudehohe, durch den Abbruch von Teilen der Decke neu gestaltete Lufträume, die einen freien Blick vom Erdgeschoss bis zu den neu eingefügten Oberlichtern im Dach ermöglichen und dabei gemeinsam mit den strahlend weißen Wänden eine fast ätherische Leichtigkeit im Inneren des Gebäudes schaffen.
Untergliedert werden die beiden „Schächte“ durch ein labyrinth-artiges Geflecht aus schwindelerregend hoch aufsteigenden Treppen, offene Galerien, einer komplett neu eingefügten Ebene sowie scheinbar frei im Raum schwebenden Boxen, die gemeinsam die ursprüngliche Struktur und Erschließung des Gebäudes verändern und dabei auch komplett neue Sichtachsen schaffen. Neben einem zweiten Restaurant sind hier oben auch eine kleine Bibliothek sowie die Räumlichkeiten der öffentlich zugänglichen „Kulturbotschaft“ untergebracht. Als weitere Funktionen bietet das Lloyd-Hotel eine Bar, einen schalldichten Musikraum und eine Küche, in der die Hotelgäste als Besonderheit für ihre eigenen Gäste auch selber kochen können.
Spannungsvolle Kontraste
Die Inneneinrichtung des Hotels lebt von der Spannung zwischen öffentlich und privat und vom Kontrast zwischen Alt und Neu, wobei Details wie die historischen bleigefassten Fenster oder die hölzernen Boxen, an denen die Auswanderer sich anmelden mussten, hart und unvermittelt auf moderne, teilweise grell gestaltete Objekte stoßen.
Ihre konsequente Fortführung findet dieses Konzept in der Gestaltung der insgesamt 120 Zimmer, die sämtlich – von der Ein-Sterne-Kammer bis zur Fünf-Sterne-Suite – unterschiedlich eingerichtet wurden und die ebenfalls eine gelungene Kombination aus modernem Design und zeitloser Klassik zeigen.
Neben MVRDV selbst konnten dazu unter anderem das Bureau Lakenvelder, das Atelier Van Lieshout sowie Christoph Seyferth, Ineke Hans, Richard Hutten und Hella Jongerius gewonnen werden. Diese illustre Ansammlung modernen zeitgenössischen niederländischen Designs an einem Ort hat zu einigen überraschenden und manchmal extremen Lösungen geführt – von winzig kleinen Räumen mit gemeinschaftlichem Bad (den Bademantel gibt es dabei inklusive) über Zimmer mit Alkoven oder mittig im Raum platzierten Duschen bis hin zu großen Räumen mit Designer-Bad oder vier Meter breitem Bett.
Entwurf: MVRDV, Rotterdam Planungsteam: Winy Maas, Jacob van Rijs und Nathalie de Vries mit Fokke Moerel, Stefan de Koning, Sandor Naus, Eline Strijkers, Jeroen Zuidgeest, Stefan Witteman, Ignacio Borrego, Magali Homms, Teun Spruyt, Giselle Löb Innendesign: Roukens & Van Gils, Gouda Design Badezimmer: Bureau Lakenvelder, Rotterdam und MVRDV; Atelier Van Lieshout, Rotterdam Facility Management: Office for architectural engineering, Bureau Bouwkunde, Amsterdam Statik: Ingenieursbureau Van Rossum, Amsterdam Gebäudetechnik: Peutz and Associates, Zoetermeer, London
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