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Kleinod wachgeküsst

Sanierung des Büropalais Eger in Berlin-Kreuzberg
Kleinod wachgeküsst

Denkmalpfleger sprechen im Zusammenhang mit dem Büropalais Eger heute von einem der wertvollsten Gründerzeithäuser in Berlin-Kreuzberg.

Auch zur Zeit seiner Erbauung im Jahr 1881 (Architekten Knoblauch & Wex) hatte das Gebäude schon viel Aufmerksamkeit erregt, kostete es doch die damals beachtliche Summe von 300 000 Goldmark.
Viel Glück war dem Palais später allerdings nicht beschieden. Durch eine umfangreiche Aufstockung 1924/25 verlor das Äußere den Villencharakter völlig.
Sechs Geschosse aufgesetzt
Da die Gebrüder Eger die Villa gemeinsam, aber doch separat bewohnen wollten, entstand nicht die damals für die Stadt typische Kombination aus Souterrain und „Beletage“.
Über dem Sockelgeschoss erhoben sich vielmehr zwei gleichwertige „herrschaftliche“ Etagen.
Etwas übernommen hatten sich die Brüder bei dem Bau aber vielleicht doch, denn schon 1890 verkauften sie ihr Domizil an den Prinzen Aribert von Anhalt.
Dem Prinzen von Anhalt folgten eine Vielzahl von Besitzern, unter anderem eine Firma aus dem Siemens-Imperium, die in den zwanziger Jahren den gravierendsten und in einem gewissen Sinn auch erstaunlichsten Umbau vornahm: Den nur für das Souterrain und die zwei „Beletages“ konzipierten Grundmauern und Fundamenten wurden sechs weitere Geschosse aufgesetzt, davon vier als Vollgeschosse und zwei im geneigten Dach.
Verborgen unter Anstrich und Verkleidung
Mit der architektonischen Schönheit schwand auch das Bewusstsein für die Bedeutung des Palais’.
Als der neue Besitzer im Jahr 2000 den Berliner Architekten Matthias Wunsch mit einer grundlegenden Sanierung beauftragte, endete sozusagen ein Dornröschenschlaf.
Im Einverständnis zwischen Bauherrn und Denkmalpflege wurde der Denkmalstatus, den bis dahin nur die Fassade hatte, auf das gesamte Gebäude ausgedehnt.
In restauratorischer Kleinarbeit konnten die historischen Raumdekorationen unter teils mehrfachen Anstrichen und Bekleidungen wieder zum Vorschein gebracht werden.
Dabei erlebten die Denkmalpfleger immer wieder freudige Überraschungen.
So fand man beispielsweise für die Belichtung eines innen liegenden Raumes einen Deckendurchbruch, der noch mit der originalen Verglasung verschlossen war. Nach Einschätzung der Experten handelt es sich um eines der ältesten erhaltenen Beispiele für eine begehbare Verglasung in Berlin.
Erneuert in traditioneller Zimmermannsarbeit
Während man für die Innengestaltung und die Fassade jeweils auf ein bestimmtes historisches Erscheinungsbild als Vorbild zurückgreifen konnte, musste für das Dach ein neues Konzept entwickelt werden.
Eine Wiederholung des Dachaufbaus von 1881 verbot sich durch die mittlerweile völlig veränderten Gebäudeproportionen.
Doch auch die mit der Aufstockung aufgesetzte Dachkonstruktion konnte nicht überzeugen. DDM Ralf Kraushaar :
„Die alte Konstruktion war keine zimmermannsmäßige Ausführung. Es handelte sich um ein Stahltragwerk, dessen Außenflächen mit Leichtbeton ausgefacht waren.“
Das alte Dach wies zwar einige Gauben auf, doch waren es für die heutigen Nutzungsvorstellungen zu wenige. Die Fenster boten zudem keinen attraktiven Ausblick, weil ihre Brüstungen dafür zu hoch waren.
Um auch in den beiden Dachgeschossen eine komfortable Beleuchtung mit Tageslicht gewährleisten zu können, wurde schließlich die alte Konstruktion bis auf vier von Traufe zu Traufe reichende Stahlrähme abgetragen und nach den Regeln der Zimmermannskunst als Holzdachstuhl wiederaufgebaut.
Im Zuge des Innenausbaus konnte in das Dachtragwerk dann die erforderliche Wärmedämmung eingebaut werden.
Zeitlich passende Ziegelform
Auch bei der Auswahl der neuen Dachdeckung orientierte man sich an handwerklichen Traditionen und entschied sich für den Doppelmuldenfalzziegel Z 2 der Jacobi Tonwerke. Dabei entstand eine interessante, wenn wohl auch eher zufällige Parallelität: Die Dachziegelform mit der doppelten Mulde wurde 1881 – also gerade im Erbauungsjahr der Villa – von dem bis heute für seine Schöpfungen berühmten Ziegeldesigner Wilhelm Ludowici (1855-1929) zum Patent angemeldet.
Der Doppelmuldenfalzziegel erlebte in den Folgejahren in vielen Regionen eine ungeheure Nachfrage. In der Hauptstadt Berlin entwickelte er sich zum meistverwendeten Falzdachziegel überhaupt.
Von den 1924/25 auf der „Fürstenvilla“ ursprünglich verwendeten Dachziegeln hatte man bei der heutigen Sanierung keine genaue Kenntnis mehr, weil wegen vielfacher Ausflickungen und wohl auch durch die Reparatur von Kriegsschäden ein buntes Gemisch alter Dachdeckungen vorgefunden wurde.
Mit dem Doppelmuldenfalzziegel entschieden sich Architekt, Denkmalpfleger und Bauherr jedoch für ein Modell, dass in seiner Formensprache der Erbauungszeit entspricht und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die erste Deckung nach der Aufstockung gebildet haben könnte.
Maßabweichungen ausgeglichen
Der Ziegel Z 2 deckt eine Fläche von 20,3 x 35,0 cm, was einen Bedarf von 14 Stück/m² ergibt. Mit diesem bewährten Ziegelmaß fügt er sich gut in die kleinmaßstäbigen und vielfach durch Gauben oder Dachfenster unterbrochenen Dachteilflächen auf dem Büropalais Eger ein.
Eine Herausforderung stellte die Anpassung des Ziegels an die Dachformen dar.
Dazu DDM Kraushaar:
„Durch die Geometrie der Außenmauern und der zu erhaltenden Stahlrähme entstanden auf dem gesamten Gebäude unregelmäßige Dachflächen.
Es gibt keine wirklich gerade verlaufenden Linien von der Traufe zum First. Die jeweiligen Sparrenlängen differieren erheblich, ebenso die Dachneigungen der einzelnen Dachteilflächen.“
Diese Differenzen konnten durch eine geschickte Ziegelverlegung ausgeglichen werden. Das ist den Dachdeckern in der Tat gelungen. Wenn die Fahrgäste aus der hier als Hochbahn verkehrenden U-Bahn-Linie 1 auf das sanierte Gebäude schauen, dann ist das Erstaunen über das wachgeküsste architektonische Kleinod auch bei den Einheimischen groß.
Zumal die wiederhergestellte leuchtendgelbe Fassade und die neue naturrote Ziegeldeckung so harmonisch wirken, als hätten sie eigentlich schon immer so aussehen müssen.
• Doppelmuldenfalzziegel Z 2
………………………….
Architekten: Neubau 1881: Gustav Knoblauch und H. Wex
Aufstockung 1924/25: Arnold Kuthe
Sanierung 2001: Dipl.-Ing. Architekt Matthias Wunsch
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