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Kirchen im Wandel

Umbauten in historischen Sakralbauten
Kirchen im Wandel

arkus Hoeft / red.

Kirchen überdauern oft mehrere Jahrhunderte und gehören damit zu den Gebäuden mit der längsten Nutzungszeit überhaupt.
Aus Sicht der Architekturhistorie und der Stadtentwicklung ist die lange Standzeit begrüßenswert, im Sinne des Nutzungskonzepts wirft sie aber Probleme auf. Denn natürlich unterliegen die Rahmenbedingungen des kirchlichen Lebens im Laufe der Jahrhunderte einem Wandel, der dann auch geänderte Funktions- und Raumkonzepte im Kirchengebäude erfordert.
In der Folge werden moderne Um- und Einbauten benötigt, die in direkter Gegenüberstellung mit der historischen Bausubstanz zu planen sind. Drei Beispiele aus dem Raum Berlin-Brandenburg werden hier vorgestellt.
Berlin-Kreuzberg: Heilig-Kreuz-Kirche
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde vor dem Halleschen Tor von Berlin 1865 die Kirchengemeinde Zum Heiligen Kreuz gegründet. 1885–88 entstand das Gotteshaus der Gemeinde nach Plänen von Johannes Otzen in neogotischer Auffassung.
Von dieser üppigen Gestaltung sind nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sowie einer finanziell und ornamental eher sparsamen Wiederherstellung von 1950–59 allerdings nur noch Spuren vorhanden.
Anlass für einen weiteren Umbau in den Jahren 1991–95 war aber weniger die als zu spartanisch empfundene Reparatur der Kriegsschäden nach Plänen von Erich Ruhtz, als vielmehr veränderte gesellschaftliche Verhältnisse. Die Gemeinde lag mittlerweile in einem sozialen Brennpunkt des alten West-Berlin und engagierte sich zunehmend bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit, Alten- und Krankenpflege, Obdachlosenhilfe sowie der Arbeit mit Ausländern und Asylbewerbern. Dafür brauchte man viele kleine Räume, die man in einem Gemeindehaus in der Umgebung fand, wodurch dann die große Kirchenhalle zunehmend an Bedeutung verlor. Um die Kirche wieder in den Mittelpunkt zurückzuholen, begannen die Kirchengemeinde und die Berliner Architektengruppe Wassertorplatz 1984 mit den Planungen für einen abermaligen Umbau, bei dem es vor allem um ein vielfältig nutzbares und den Bedingungen des jetzigen Kirchenlebens angepasstes Raumkonzept ging.
Während die Vierung unter der Kuppel und das Chorschiff ihre Funktion für den Gottesdienst behielten, wurden im Erdgeschoss und auf der Emporenebene in den Querschiffen neue Räume mit Glaswänden abgeteilt. Selbst die früheren Verbindungsgänge zu den Emporen konnten in kleinteilige Büros umgewandelt werden.
Allerdings brauchte man nun neue Erschließungswege im Emporengeschoss, wofür ein vierseitiger Umgang als gut sichtbare Stahlkonstruktion in die Vierung gestellt wurde. Durch den Einsatz von Stahl und Glas für die Einbauten entstand ein bewusster Kontrast zum historischen Mauerwerk. Gleichzeitig ließ sich mit dieser Konstruktionsform ausgezeichnet die Rückbaubarkeit verwirklichen, die die Denkmalpfleger für alle modernen Einbauten gefordert hatten. Weitere Raumreserven konnte das Architektenteam im Dach der Kirche erschließen. Über den Gewölben wurde eine Stahlverbunddecke eingezogen und das Dachgeschoss dann ausgebaut. Eine Treppe und ein Aufzug zu den neuen Räumen konnten jeweils in den Portaltürmen untergebracht werden. Für das zweite notwendige (Flucht-)Treppenhaus ging man den mutigen Weg, auf der Ostseite einen separaten und wiederum als Stahl-Glas-Konstruktion ausgeführten Turm aufzustellen und mit einer Brücke an die Büroräume im Dachgeschoss anzuschließen.
Müncheberg: Stadtpfarrkirche St. Marien
Im 13. Jahrhundert hatten Zisterziensermönche in Müncheberg, rund 70 km östlich Berlins, einen ersten Kirchenbau errichtet, der später vielfältig umgebaut und erweitert wurde. Die heutige äußere Ansicht geht vor allem auf Karl Friedrich Schinkel zurück, der sich Anfang des 19. Jahrhunderts als einer der ersten für den Erhalt von Denkmälern in Preußen einsetzte und ein Sanierungskonzept für die St. Marien zu Müncheberg vorlegte, das schließlich auch verwirklicht werden konnte. Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg blieb die Stadtpfarrkirche St. Marien 46 lange Jahre eine Ruine, ohne Dach und ohne Gewölbe.
Da der 1991 in Angriff genommene Wiederaufbau von der inzwischen kleinen Kirchengemeinde nicht allein getragen werden konnte, entwickelten die Stadt, ein Förderverein und die Kirchengemeinde gemeinsam ein ungewöhnliches Konzept: Es sollte ein sowohl weltlich als auch religiös zu nutzendes geistig kulturelles Zentrum geschaffen werden, bei dem die Kirche aus Kostengründen eine gesicherte Ruine bleibt und ein moderner Einbau alle neuen Funktionen übernimmt.
Nach einem Entwurf des Architekten Klaus Block beließ man in Langhaus und Chor die historische Substanz weitgehend unverändert. Die Sichtflächen des vorhandenen historischen Mauerwerks wurden gereinigt, die Fugen neu verfugt und anschließend die Fläche dünn verschlämmt. Die Wandoberflächen verstecken also nicht die Narben der Zeit und verschweigen auch nicht die vorgenommenen Ausbesserungen.
Chor und Langhaus erhielten außerdem einen neuen Dachstuhl und ein neues Dach, während auf die Wiederherstellung der Gewölbe verzichtet wurde. Der Besucher kann heute vom Kirchenraum ungehindert in das Gebälk des Dachstuhls schauen.
Der Chor dient überwiegend sakralen Zwecken, das Langhaus ist hingegen ein flexibler Raum. Sein markantestes Element ist ein eigenständiger und freistehender schmaler Baukörper entlang der Langhausnordwand, der wegen seiner eigenwilligen Form auch „Arche“ genannt wird. Das Haus im Haus fügt sich trotz seiner Höhe relativ unauffällig ein und bietet bei minimaler Grundflächenbelegung über vier Etagen eine Nutzfläche von etwa 300 m².
Der Einbau kann klimatisch und akustisch unabhängig vom gesamten Kirchenschiff genutzt werden. Zwischen seiner Rückwand und der Wand des Kirchenschiffes erschließt eine einläufige Treppe die Etagen, ein freistehender und über Stege mit dem Baukörper verbundener Aufzug ergänzt die Erschließung behindertengerecht. Die freistehende Stahlrahmenkonstruktion mit ihren gläsernen Wänden verliert ihre Schwere durch eine vorgehängte Holzlamellenkonstruktion, deren Aufstellwinkel veränderlich ist und die sowohl als Sicht- und Blendschutz, als auch der optischen Raumbegrenzung dient. Im Müncheberger Beispiel ist der historische Baukörper vor allem Hülle und Schutz für das Moderne. Der Neubau ist auch hier reversibel gestaltet, also ohne Zerstörungen wieder zu beseitigen. Er steht kontrastreich und zugleich respektvoll zurücktretend an seinem Platz.
Fürstenwalde: Domkirche St. Marien
Eine Kirche, die fünf Mal zerstört und immer wieder neu errichtet wurde: St. Marien in Fürstenwalde ist eigentlich kein Dom im kirchenrechtlichen Sinne, wegen ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und wohl auch ihrer Größe wird sie aber von den Einheimischen häufig so genannt.
Auch bei diesem Beispiel ist das auslösende Moment für die späteren modernen Einbauten die fast vollständige Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Der Wiederaufbau der Außenhülle konnte hier schon in den fünfziger und sechziger Jahren weitgehend abgeschlossen werden, der Wiederaufbau des Innenraums wurde hingegen erst 1986 beschlossen.
Bereits damals ging man davon aus, dass eine vollständige Wiederherstellung des Innenraumes auf Grund der starken Zerstörungen nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch unrealistisch war.
In einem Kompromiss aus Historischem und Neuem wollte man versuchen, das Kirchenschiff als sakralen Raum und zugleich als Hülle für einen modernen, heutigen Vorstellungen entsprechenden Einbau zu erhalten. Dazu wurde von der historischen Substanz wiederhergestellt, was noch vorhanden war und nur absolut Notwendiges behutsam ergänzt. Die Verluste infolge der Kriegszerstörungen sollten nicht kaschiert werden.
Am Westende des Kirchenschiffs entstand ein neues und funktionales Gemeindezentrum als moderner Einbau. Die vollständig verglaste Stahlkonstruktion bietet viel Transparenz und Leichtigkeit, wodurch der Gesamtraumeindruck des Kirchenschiffes nicht verloren ging.
Die Wände aus Glas sind nicht trennende, sondern verbindende Elemente des Innenraumes geworden. Es entstanden beheizbare Funktionsräume, die von der Domgemeinde und der Stadt gleichermaßen genutzt werden, u.a. als Winterkirche und Galerie.
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