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Großer Spielraum durch Größe

Passivbürogebäude in Ulm
Großer Spielraum durch Größe

Nicht zum ersten Mal steht bei einem Büroneubau die Reduzierung der Umweltbelastung bei dessen Nutzung im Mittelpunkt. Bisher wurde jedoch kein Objekt in dieser Größenordnung nach dem üblicherweise für Einfamilienhäuser verwendeten Passivhaus-Standard geplant und erbaut.

Im Auftrag der Software AG Stiftung, Darmstadt, planten und realisierten die Brettener Architekten oehler + arch kom und die Freie Planungsgruppe7-Stuttgart das weltweit größte Passivbürogebäude in Ulm.
Gestaltungsspielraum
Als Kopfgebäude von einer Reihe von Bürobauten entstand ein fünfgeschossiges Bauwerk mit einem Raumangebot für bis zu 420 Mitarbeitern.
Der Neubau findet sich im Ulmer Science Park II, einem speziell für Forschung und Entwicklung reservierten Bereich.
Ein Bürogebäude dieser Größe ist um ein vielfaches kompakter als ein freistehendes Einfamilienhaus. Daraus ergaben sich für die Planer hinsichtlich des Passivhaus-Standards ganz neue Freiheiten und technische Lösungsmöglichkeiten. So spielt zum Beispiel die Orientierung des wankelförmigen Gebäudes eine untergeordnete Rolle. Obwohl das Atriumdach nur mit einer Zweifach-Wärmeschutzverglasung versehen ist, lässt sich das gewünschte Klima und der Passivhaus-Standard immer noch erreichen.
Große Passivhäuser bieten wesentlich mehr Kompensationsmöglichkeiten, was den Spielraum bei der Planung deutlich vergrößert.
Fassade
Drei gleiche, 54 Meter lange, räumliche gekrümmte Fassaden bilden die Wankelform des Baukörpers. Vor die Stahlbeton-Skelett-Konstruktion hängte man vorgefertigte Holzelemente.
Weiteres Gestaltungselement der Fassade ist eine äußere, filigrane Hülle auskragender Wartungsstege. Aus Stahlprofilen gefertigt, zeichnen diese sich grafisch fein von der glatten, kalottenförmigen Oberfläche ab. Aufgrund des hohen Wiederholungs- und Vorfertigungsgrades konnte der Rohbau schnell und wirtschaftlich erstellt werden.
Innere Werte
Alle Bereiche auf den fünf Stockwerken sind im Innern konzentrisch um ein Atrium angeordnet.
Durch eine gezielte Abstimmung von Brandschutz- und Klimakonzept konnten sämtliche Forderungen zur Abschottung der Büroräume gegen das Atrium ausgeräumt werden. Vielmehr kann jedes Bürofenster zum Atrium hin geöffnet werden.
Über Brücken, Aufzüge und die Spindeltreppe gelangt man ohne Schleusen in den inneren Begegnungsraum. In seiner Grundkonzeption als „Marktplatz“ angedacht, bietet das Atrium aufgrund der gliedernden Erschließungselemente wie Brücken, Aufzüge und Treppen die Möglichkeit zu mehr Bewegung innerhalb des Gebäudes.
Auch die weiteren Rahmenbedingungen tragen zu einer fast wohnlichen Atmosphäre im Atrium bei: Mischung aus künstlicher und natürlicher Belichtung, gedämpfte Akustik, angenehmes Klima zwischen 18° und 27° Celsius, helle Materialien, filigrane Innenfassade aus Holz und Glas sowie eine großzügige Bepflanzung.
Erschließung
Tief in einen Hang hineingeschoben, ergibt sich die Gebäudevorfahrt ebenerdig oberhalb des sogenannten Gartengeschosses. Zugleich ist das Gebäude in eine Parklandschaft aus Wasserbecken, Regenwasserteich, Versickerungsflächen, Terrassen, Stegen, Böschungen und Geländestufen eingebettet.
Der große naturnahe Regenwasserteich ist das Kernstück der Gartenanlage. Hier kann aufgefangenes Regenwasser zu 100 Prozent in einer Retensionsfläche versickern oder verdunsten bzw. wird zur Gartenbewässerung genutzt. Im Gartengeschoss finden sich auch alle Gemeinschaftsfunktionsräume wie Kasino, Küche, Seminar und Fitness. Eine Nutzung der Gemeinschaftsfunktionen in Kombination mit der Gartenanlage ist planerisch gewollt und bewusst gefördert.
In den darüber liegenden Ebenen werden Büro- und Besprechungsfläche angeboten. Meeting Points als offene Bereiche unterteilen die Büroflächen und stellen die Verbindung zum Atrium her.
Zur Minimierung der Verkehrsflächen sind die Büros zweihüftig angeordnet. Gleichzeitig entsteht so ein innerer und ein äußerer Ring von Büros, die beide mit Tageslicht belichtet werden.
Frische Luft
Die Be- und Entlüftungsanlage hat den größten Platzbedarf in der Haustechnik. In der Tiefgarage befindet sich die vom Erdreichwärmetauscher versorgte Zuluftzentrale, die über ein Gangsystem im Untergeschoss die Zuluft mittels vier Zulufttürmen in das Atrium bläst. Über das Atrium selbst kann jedes Büro mit der benötigten Frischluft versorgt werden.
Die Verteilung findet entweder direkt über die Innenfassade oder durch Zuluftkanäle in den Geschossdecken statt. Dabei bleibt das eigentliche Zuluftsystem unsichtbar. Auch wird die Zuluft nicht mit Heiz- oder Kühlfunktionen belastet. Sie hat einzig die Aufgabe, hygienische Verhältnisse herzustellen.
Das System ist so aufgebaut, dass es weder zu Zugerscheinung noch Geräuschbelästigungen kommt.
Gleichzeitig wird aus jedem Raum die verbrauchte Luft abgesaugt. Sie gelangt über die Flurzonen nach oben in die Dachzentrale. Dort wird die Abluft ausgeblasen, nachdem ihr ein Wärmetauscher rund 80 % ihrer Energie entzogen hat. Zu jeder Zeit und in jedem Raum ist das Öffnen der Außenfenster möglich. Dies hat keinerlei Einfluss auf die Lüftungsanlage.
Natürliche Kühlung
Ein Bürogebäude im Passivhaus-Standard hat wenig Beheizungsprobleme. Die inneren Wärmegewinne von Geräten, Beleuchtung und Personen reichen völlig aus.
Jedoch wird diese Wärme auch im Sommer erzeugt. Selbst bei einer 100-prozentigen Verschattung würde sich das Gebäude von innen langsam aufheizen. Der haustechnisch anspruchsvollere Lastfall ist deshalb die Überhitzung im Sommer. Sie ist nur mit einer abgestimmten Kombination von sparsamen Maßnahmen effizient zu regeln.
Das Herzstück der Klimaregulierung ist eine Betonkerntemperierung. Dabei halten einbetonierte Wasserschlangen die Betondecken aufgrund ihrer großen Trägheit auf der gewünschten Temperatur. Alle Untersichten dieser Decken sind freigehalten und ergeben so eine große Strahlungsfläche, die im Winter wärmt und im Sommer kühlt. Im Gegensatz zu üblichen Kühldecken weicht die Vorlauftemperatur nur minimal von der Raumtemperatur ab. Im Sommer liegt sie bei 18°C und im Winter bei 25°C. Diese geringe Temperaturspanne ist aufgrund des Passivhaus-Standards möglich. Der Nutzer profitiert im besonderen, da er weder Strahlungswärme noch -kälte wahrnimmt. Nur in seltenen Fällen wird die Komfortzone von 20°C bis 25°C verlassen. Konventionelle Heizkörper gibt es nicht.
Der Restwärmebedarf wird über Fernwärme gedeckt. 40 um das Gebäude angeordnete Erdsonden – rund 100 Meter tief ins Erdreich versenkt – decken den Kältebedarf ab. Mit Hilfe eines Wasserkreislaufes wird das Erdreich als riesiger saisonaler Wärme- bzw. Kältespeicher im Jahresrhythmus be- und entladen.
Licht und Schatten
Strom und Wärme spart das konsequent umgesetzte Tageslichtkonzept durch Reduzierung des Anteils von künstlicher Beleuchtung. Ein großes Glasdach im Atrium sorgt für weitreichende Belichtung selbst in den Räumen der unteren Geschosse.
Kommt es witterungsbedingt zur Verschattung mittels geschlossener Sonnenschutzfolien in den Isoliergläsern, fällt immer noch ausreichend Tageslicht ins Atrium. Lichtlenkende Sonnenschutzjalousien an der Fassade sorgen für eine ausgewogene Belichtung der Büroräume. Werden z. B. Fenster auf Höhe der Arbeitsplätze verschattet wird gleichzeitig im Oberlichtbereich das Sonnenlicht gegen die Decke gelenkt. Das reduziert die künstliche Beleuchtung und vermeidet Blendungen an den Bildschirmen.
Photovoltaikanlage
Durch den Passivhaus-Standard reduziert sich der Energieverbrauch für Heizen, Kühlen und Hilfsstrom um 75 %. Das bedeutet gegenüber einem konventionellen Bürogebäude eine Reduzierung der CO2-Emission von 175 000 kg pro Jahr.
Zusätzlich wurden die Flachdachflächen mit einer Kunststoff-Dachbahn mit integrierter Photovoltaikanlage abgedichtet. Die so installierte Anlage hat eine Leistung von 15 kW und reduziert damit jährlich die CO2 Emission um mehr als 6.800 kg. Eingesetzt wurde die stromerzeugende Dachbahn „Evalon®-Solar“ vom Dach-Spezialisten alwitra.
„Evalon®-Solar“ ist eine Kombination aus flexiblen Photovoltaik-Modulen von Uni-Solar mit thin-film-triple-junction-technology, die auf die seit Jahrzehnten praxisbewährten Kunststoffdachbahnen „Evalon®“ laminiert sind.
Damit wird eine flexible Anpassung an jede Dachform erreicht. Zusätzliche Rahmen mit Aufständerungen sind nicht erforderlich.
Die flexiblen, dreilagig mit Solarzellen aus amorphem Silizium angereicherten Photovoltaik-Module sind allseitig wetterfest, transparent und polymerverkapselt. Von den drei übereinander liegenden Silizium-Schichten werden jeweils unterschiedliche Wellenlängen des Sonnenlichts genutzt, womit der Wirkungsgrad erhöht und konstante Erträge garantiert werden.
• Dachbahn „Evalon®-Solar“
………………………….
Architekten:
oehler + arch kom,
Bretten (Entwurf und Planung)
Freie Planungsgruppe7-Stuttgart
(Ausschreibung und Bauleitung)
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