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Gläserner Kontrapunkt

Kopfbau Künstlerhaus Nürnberg
Gläserner Kontrapunkt

Nürnberg symbolisiert wie kaum eine andere deutsche Stadt die Traditionslinien städtischer Entwicklung und des Handwerks.

Sichtbares Zeugnis dieser historischen Vorreiterrolle ist eine Altstadt, die diesen Bürgerstolz bis heute verkörpert. Es ist daher kaum verwunderlich, dass eine moderne Glasfassade an einer bedeutenden Schnittstelle direkt im Zentrum der Altstadt zu heftigen Diskussionen führte.
Die Auseinandersetzung um das „Künstlerhaus Nürnberg“ warf einmal mehr die Frage auf, wie Architektur in historisch gewachsenem Raum gestaltet werden soll.
Exponierte Stelle
Das bestehende Künstlerhaus Nürnberg war Ende des vorletzten Jahrhunderts entlang des damaligen Stadtgrabens errichtet worden. Es liegt in zweierlei Hinsicht an exponierter Stelle, da es zum einen direkt dem Hauptbahnhof gegenüberliegt, und somit für Besucher Nürnbergs zu den ersten Eindrücken der Stadt gehört.
Zum anderen stellt es mit dem historischen Frauentorturm den Eingang in die Altstadt dar. Der Kopfbau des Künstlerhauses war im Zweiten Weltkrieg zerstört und nur notdürftig wieder instandgesetzt worden. Insofern stellte er einer der letzten Wunden aus Kriegszeiten dar, der nun durch ein eigenständiges Gebäude ersetzt wurde.
Eigenständig integriert
Die Diskussion um das Schicksal des Kopfbaus war in Nürnberg schon seit Jahrzehnten geführt worden. In den neunziger Jahren wurde schließlich ein Wettbewerb zur Neugestaltung ausgeschrieben, mit dem das Künstlerhaus um ein eigenständiges Gebäude ergänzt werden sollte.
Das Nürnberger Architekturbüro Grabow und Hofmann konnte mit ihrem Konzept am meisten überzeugen. Ihr Entwurf projektierte einen Kopfbau als eigenständiges, offenes Gebäude, das sich sichtbar gegenüber dem historischen Frauentorturm abhebt, aber dennoch in die Geschichte des Ortes integriert ist.
Es wurde ein weitgehend transparenter Glaswürfel mit einem außenliegenden Stahlgerüst entwickelt, der in die beiden noch vorhandenen Mauerscheiben des alten Kopfbaus gestellt wurde.
Gegen diese Konzeption des gläsernen Würfels liefen insbesondere die Altstadtfreunde Sturm, für die ein solches Gebilde eine Verschandelung der Altstadt darstellte. An den Gebäudebestand angelehnt hätte hier ein Gebäude aus Sandstein und Putz entstehen sollen. Doch mit dem Prestige eines gewonnenen Wettbewerbs im Rücken konnte das Architekturbüro seine Konzeption erfolgreich verteidigen. Es weigerte sich beharrlich, den Entwurf durch Kompromisse zur Angleichung an den Bestand oder das historische Vorbild aufzuweichen was sicher die schlechteste aller Möglichkeiten gewesen wäre.
Synthese aus Glas und Stahl
Die Tragkonstruktion des fünfgeschossigen Gebäudes ist eine Konstruktion aus Stahlbeton. Die Aussteifung erfolgt über Stahlverbundstützen, welche zusammen mit den Flachdecken als Rahmenkonstruktion ausgebildet wurden.
Das Stahlbetonskelett wird nicht versteckt, sondern bleibt als bewusstes architektonisches Gestaltungselement deutlich sichtbar. Die Geschossdecken liegen versetzt zueinander, so dass auch im Inneren das Gebäude als offen empfunden wird.
Allerdings mussten die Architekten doch auch Kompromisse eingehen. Dies hatte seine Ursache vor allem in Forderungen des Brandschutzes, der außenliegende Fluchtbalkone verlangte, die von jedem Teil des Gebäudes unmittelbar erreichbar sein sollten.
Somit wurde das Stahlskelett durch umlaufende Fluchtbalkone und die sie verbindenden Fluchttreppen ergänzt. Letztendlich wurde dadurch aber die architektonische Konzeption noch unterstrichen, indem die geforderte Transparenz, die Innen-Außen-Durchdringung noch weiter vorangetrieben werden konnte.
Selbstbewusst und offen
Diese Transparenz unterstreicht den Charakter des Gebäudes als zentrale Informations- und Anlaufstelle. Im EG befindet sich eine Touristen-Information, die Kultur- und Jugendinformation sowie eine Artothek.
Die Verwaltung ist in einem Zwischengeschoss beherbergt, das als Stahlkonstruktion von der Decke des 1. OG abgehängt wurde und quasi über der Informationszone schwebt. Darüber befindet sich das Foyer für ein im Künstlerhaus selbst bereits bestehendes Kino, während im DG ein Multifunktionsraum mit Dachterrasse untergebracht ist. Der Glaskubus ist nicht direkt an das Künstlerhaus angeschlossen. Er ist gegenüber dem Hauptgebäude um 6° versetzt und nimmt somit Achse und Größe des gegenüberliegenden Frauentorturms auf. Die Verbindung mit dem Künstlerhaus erfolgt durch einen anschließenden Übergangsbereich, der die Geschosshöhen des Künstlerhauses aufnimmt. Zwischen Glaskubus und Übergangsbereich liegt ein durchgängiger Luftraum.
Schwierige Beschattungsfrage
Als sensibler Bereich stellte sich die Frage der Beschattung heraus. Außenliegender Sonnenschutz kam für die Architekten von vornherein nicht in Frage, da dieser wie ein zweites Gerüst die angestrebte Glaswürfel-Konstruktion überdeckt hätte.
Zudem wurde befürchtet, dass durch die im Bahnhofsbereich vorhandene extreme Verkehrsbelastung eine zwangsläufig schnelle Verschmutzung zu einem Wertverlust des Gebäudes führen würde.
Dies führte zu intensiven Diskussionen und Praxistests verschiedener Systeme, die sich insgesamt über den Zeitraum von einem Jahr erstreckten, bis sich letztendlich eine Lösung der Beschattung durch Jalousien-Isolierglas herauskristallisierte.
Zum Einsatz kamen hochreflektierende, silberfarbene Lamellen (Typ Isolette®), die zum Großteil perforiert wurden.
Dadurch konnten zwei divergierende Erfordernisse erfüllt werden: Zum einen werden durch die Lamellen die bauphysikalisch geforderten Sonnenschutzwerte erlangt, zum anderen sichert die Perforierung auch bei heruntergelassenem Behang weitgehende Transparenz.
Das Gebäude wird durch die Lamellen nicht vom Außenbezug abgeschirmt. Befinden sich die Lamellen in horizontaler Stellung, sind sie vom Auge kaum wahrnehmbar.
• Jalousien-Isolierglas
………………………….
Planung: Grabow & Hofmann, Nürnberg
Projektarchitektin: Petra Gumbrecht
Tragwerksplanung: Weischede, Herrmann und Partner, Stuttgart
Planung Heizung, Lüftung, Bauphysik: Schmidt, Reuter und Partner, Nürnberg/Köln
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