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Blendfrei ohne Verschattung

Turnhalle in Zürich
Blendfrei ohne Verschattung

Jörg Pfäffinger / red.

Die Schulanlage Buchwiesen in Zürich Seebach wurde in den fünfziger Jahren von Stadtbaumeister Albert H. Steiner geplant. Als Erweiterung entstanden im Jahre 2003 von Vrendli und Arnold Amsler, Architekten BSA/SIA, anstelle früherer Gebäude u.a. ein Foyer mit Singsaal als Holzbau, ein linearer Klassentrakt als holzverkleideter dreigeschossiger Betonelementbau und direkt daran anschließend eine Doppelturnhalle in Holzbauweise.
Die Besonderheit der Hallenhülle sind GFK-Lichtstreuelemente in Dach und Fassade, die nicht nur für eine blendfreie Tageslichtsituation sorgen, sondern durch ihre hohe Dämmwirkung auch den Minergiestandard der Gesamtanlage erfüllen.
Bau- und Lichtsituation
Auf knapper Grundstückssituation wurde das Ensemble der Schule Buchwiesen baulich ergänzt. Nach Abbruch des alten Turnhallentraktes wurde an seiner Stelle ein 80 m langer, dreigeschossiger Betonelementbau erstellt, dessen Klassenzimmer nach Süden orientiert und von einem langen Korridor von Norden her erschlossen sind.
Dieser Korridor wird über Fenster in der Nordfassade belichtet, die mehrheitlich direkt an die 46 m lange, aus Platzgründen mit dem Klassentrakt zusammengebaute Turnhalle anschließen und deshalb keinen Kontakt zum Außenraum aufweisen.
Es wurde daher eine bauliche Lösung gesucht, die für den Korridor des Klassentraktes die Tageslicht-Situation eines Außenbereiches schafft, was gleichzeitig zu einer besonderen Lichtsituation in der Halle führte.
Der Auftrag für den Singsaal und für die Turnhalle im Ausmaß von 46 m x 24 m x 9 m ging an das Holzbauunternehmen Zehnder in Winterthur. Die beiden Stirnwände der Halle bestehen aus Beton, die Längswände der im Erdreich eingelassenen „Wanne” ebenfalls.
Konstruktion
Zur Hallenkonstruktion sagte Zimmermeister Markus Zehnder, Geschäftsführer der Zehnder holz+bau: „Für mich liegt der Schwerpunkt der Bauausführung der Halle eindeutig bei den 24 m langen Trägern des Daches. Um die große Spannweite zu überbrücken, wurde eine V-förmige Konstruktion gefordert, die im unteren Teil als ein Brettschichtträger mit speziellen Qualitätsanforderungen ausgeführt ist. Auch der obere Teil besteht aus diesem Material, er ist angeschrägt und dazwischen ist der Träger hohl. Oben ist er als Knacke abgesetzt, die mit Mineralwolle gedämmt ist. Darin befindet sich eine versenkte Rinne, die mit einem Schallschutzvlies aus Mineralwolle ausgelegt wurde.”
Zur Luftschalldämmung in der Halle wurden die Träger seitlich auf der ganzen Länge mit Bohrungen versehen. Die konstruktive Form der hohlen V-Träger, gefüllt mit schallabsorbierendem Material ermöglichte eine elegante Mehrfachfunktion von Träger, Rinne und Schallschluck-element.
Als Aussteifung dieser sehr schlanken Dachträger sind Querträger aus Brettschichtholz eingefügt, die gleichzeitig das Feld der Scobatherm-Elemente begrenzen. Diese sind als leicht geneigte Shed-Dächer ausgebildet mit jeweils einer Lüftungsklappe über der Entwässerungsrinne. Die Lastabtragung erfolgt über Brettschichtholz-Stützen, die für die Aufnahme der Träger entsprechend V-förmig ausgeschnitten sind.
Die Halle steht als Holzbau selbstständig und ist nur zur Abgabe von Schubkräften mit der Betonkonstruktion verbunden.
Tageslicht ohne Überhitzung
Eine wichtige Forderung an Turnhallen ist eine blendfreie Tageslicht-Situation. Ebenso durfte es trotz hoher Tageslichtintensität auch im Sommer nicht zu Überhitzungen kommen. Außerdem ist für öffentliche Bauten in der Schweiz der Minergie-Standard zwingend mit strengen Maßstäben an Heiz- und Kühlkonzepte.
Durch langjährige Kontakte des Architekten mit der auf glasfaserverstärkte Polyester spezialisierten Firma Scobalit AG konnten die neu entwickelten GFK-Doppelstegplatten Scobatherm® in die Planung aufgenommen werden.
Diese Platten aus glasfaserverstärktem Kunststoff sind mit Nanogel TM, einem transluzentem Aerogel, gefüllt und weisen trotz ihrer geringen Stärke von 50 mm einen U-Wert von 0,48 W/(m2K) auf – bei einem g-Wert von 25 % und 25 % Lichtdurchlässigkeit.
Die Praxistauglichkeit der Elemente musste gewährleistet sein, um sie auf insgesamt 1 000 m2 im Dachbereich und 350 m2 in der Fassade einsetzen zu können. Dazu gehören für den Dachbereich: Begehbarkeit des Daches, Hagelschlag-Resistenz, Dauerhaftigkeit, UV-Stabilität und Brandschutz (Brandkennziffer F30).
Für die Fassadenelemente waren Durchbruchsicherheit, z.B. für Ballspiele sowie Wetter-, Graffity- und Vandalensicherheit gefordert; die Brandschutzklasse lag hier bei B1 (schwer entflammbar und nicht brennend abtropfend).
Schweizer Schneelasten machten zudem Festigkeitstests mit 300 kg/m2 notwendig. Zur Bewältigung des sommerlichen Wärmeeintrages war nach den rechnerischen Prognosen ein Schattierungssystem erforderlich, auf das dann in der Realität mit entsprechendem Betriebsregime der Belüftung verzichtet werden konnte.
Materialvorteile
Es war seitens des Architekten eine große Überzeugungsarbeit notwendig, besonders die Gebäudeverwaltung und die Lehrerschaft von der Qualität und Unbedenklichkeit des neuen GFK-Materials zu überzeugen. Dazu Amsler: „Vieles an diesem Bauwerk wurde nur möglich dank großer Unterstützung durch den Chef des Bauamtes der Stadt Zürich. Trotzdem mussten wir während der Planungsphase die Wände und das Dach parallel zur Ausführung in GFK als Ausführung in Glas projektieren.”
Dabei sind Glaselemente über sechs Mal schwerer als jene in Scobatherm. Nicht nur für die Montage der Dachelemente mit 2,50 m x 2,10 m und der Fassadenplatten mit 5,50 m x 2,50 m waren das gewichtige Fakten, auch für die Statik der Holzkonstruktion hätte für die größeren Lasten anders bemessen werden müssen.
Die Argumente für das neue Material von Scobalit überwogen und ebneten den Weg zur Ausführung. Schließlich dauerte die Verlegearbeit der 171 Elemente auf dem Dach mit drei Leuten nur zwei Tage und die großen Fassadenelemente konnten ohne Kran montiert werden.
Licht- und Klimatests
Prof. Dr. Peter Hartmann an der Zürcher Hochschule Winterthur bearbeitete in einer Studentenarbeit dieses Thema und die EMPA Zürich untersuchte die Licht- und Temperaturverhältnisse in der fertig gestellten Halle im Sommer 2004 während zwei Wochen mit einigen Hitzetage in Bereichen mit 30–35°C.
Bei Dauerlüftung betrug die mittlere Unterschreitung während der Raumtemperatur während der Tageszeit ca. 4 K, was, so der Bericht der EMPA, im Sommer als markant gilt. Die thermische Trägheit der Halle wird von der Betonmasse positiv beeinflusst, was eine Verschiebung des Temperaturmaximums im Innern der Halle auf die Zeit um 17.00 Uhr und damit außerhalb der Primarschul-Unterrichtszeiten erbrachte. Zur Lichtsituation in der Halle heißt es im EMPA-Bericht: „Eine Gegenüberstellung der Tageslicht- und Blendungssituation in einer Turnhalle üblicher Konzeption mit wesentlichen Fensteröffnungen in einer Fassade und der weit günstigeren, hellen Atmosphäre bei der Turnhalle Buchwiesen ist sehr eindrücklich.”
(Quelle: „Transluzente Fassaden: Licht und Temperaturverhältnisse am Beispiel der Turnhalle Buchwiesen in Zürich Seebach”, Arnold Amsler, Architekt und Peter Hartmann, Prof. Dr. sc. techn. Dipl.-Ing. ETH)
Pfosten-Riegel-System
Die Grundkonstruktion der Halle war aus Holz, die Scobatherm-Elemente wurden in ein klassisches Pfosten-Riegel-System aus Aluminium eingebunden. Zum Einsatz des neuen Materials äußerte sich Guido Vettiger, Leiter Metallbau, Eidg. Dipl. Metallbaumeister:
„Im Dachbereich, einem Sheddach, ergab sich eine besondere Konstruktion, die wir bis dahin nur mit Glas ausgeführt hatten: Im Bereich der Stufen hätte sich bei den Deckleisten Wasser stauen können. Um es optimal in die Abflussrinne leiten zu können, haben wir angeregt, die GFK-Platte innen kürzer als außen zu fertigen, die äußere Deckplatte wurde ab Werk verlängert – ähnlich einem Stufenglas. Insgesamt gibt es 171 Felder, alle sind mit den Scobatherm-Elementen bedeckt und zur Lüftung als motorisch zu öffnende Kippflügel gestaltet. Ein großer Vorteil der Scobalit-Platte ist, dass deren Gewicht wesentlich geringer ist als Glas und dass aufgrund der Lichtstreuung auf ein Verschattungssystem verzichtet werden konnte. Das geringe Gewicht sparte uns Logistikkosten, also u.a. Krankosten auf der Baustelle. Wir konnten die Glastrans-portböcke per Kran palettenweise auf das Dach heben und von dort aus mit unseren Leuten verteilen.”
Weitere Informationen
Transluzente Dach- und Fassadenelemente bba 505
Architekturbüro: Vrendli und Arnold Amsler, Architekten BSA/SIA, Winterthur
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