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Auf den Raum konzentriert

U-Bahnhof Lohring in Bochum
Auf den Raum konzentriert

Nach über acht Jahren Bauzeit wurde am 29. Januar 2006 mit dem Bochumer U-Bahnhof Lohring eine der größten stützenfreien U-Bahn-Stationen Deutschlands eröffnet.

Die im Wettbewerb 1997 siegreichen Bochumer Architekten Rübsamen + Partner haben einen stringenten Entwurf geschaffen, der sich ganz auf die räumliche Wirkung konzentriert, während das Gewölbe vollständig unangetastet bleibt. Stattdessen nimmt ein gläserner Boden die Beleuchtung auf, an dessen Ende eine mächtige rote Wand mit gelbem Lichtkreuz den lang gestreckten unterirdischen Raum abschließt. Darüber hinaus wurden frühzeitig im Entwurfsprozess ein Konzept der Düsseldorfer Künstlerin Eva-Maria Joeressen sowie eine Echtzeit-Klanginstallation des Komponisten Klaus Kessner integriert. „Entstanden ist ein authentischer Ort, der sich in disziplinierter Architektursprache und bis hinein in sämtliche künstlerischen Elemente ganz auf den Eindruck des Raums selbst konzentriert“, sagt Architekt Holger Rübsamen.
Die unterirdische Halle von rund 90 m Länge, die die Architekten als ingenieurtechnische Basis bereits vorfanden, weist mit einer Breite von knapp 19 m und rund 14,50 m Höhe einen der größten Querschnitte auf, die jemals in Deutschland bergmännisch, d.h. im freien unterirdischen Vortrieb, erstellt wurden. Das Terrain steigt leicht an und schwingt in sanfter Krümmung nach rechts.
„Einseitig erschlossen, eröffnet das immense Volumen dem herabsteigenden Passanten eine eindrucksvolle Perspektive“, so Rübsamen, „darum haben wir uns dafür entschieden, die Bewahrung des räumlichen Eindrucks selbst ins Zentrum unseres Entwurfs zu stellen.“
Changierende Alu-Haut
Um die Decke von allen Installationen freizuhalten, verlegten die Architekten über die gesamte Länge der Halle einen gläsernen, die Beleuchtung aufnehmenden Fußboden, dessen rutschfeste Oberfläche speziell für dieses Projekt entwickelt wurde. Von dort strahlt das Licht indirekt hinauf. Sämtliches Mobiliar, ein gläserner Aufzugkubus und die Beschilderung wurden nach reduzierten Entwürfen der Architekten errichtet.
Das Gewölbe selbst wurde vollständig mit graugrünlich schimmernden und aus Gründen des Schallschutzes fein gelochten Aluminiumblechen verkleidet, deren längs gerichteter Fugenschnitt die Gestrecktheit der Halle optisch betont. Zum Einsatz kam dabei ein neu entwickeltes Eloxalverfahren, das der homogenen Oberfläche einen leicht changierenden Farbeindruck verleiht. Auf 2 020 m² gegensinnig gekrümmtes Tunnelgewölbe kam Aluminium Mg1, vollflächig mikrofein gelocht (0,8 mm), mit rückseitig aufgeklebtem Akustikflies (Dillinger Fabrik gelochter Bleche). Die Oberfläche wurde mit einem Spectrocolor-Verfahren der Firmen Henkel und Südeloxal eloxiert.
Dabei werden sogenannte Interferenzerscheinungen genutzt: Das einfallende Licht wird sowohl an der Aluminiumoberfläche reflektiert als auch an der Ebene, die durch die Oberflächen der aufgrund des Eloxierens abgeschiedenen Metallsäulen gebildet wird. Durch Austarieren des idealen Abstandes zwischen den beiden Ebenen von Aluoberfläche und Metallsäulen lassen sich Interferenzen erzeugen, die für das menschliche Auge als Farbe sichtbar werden. Jedes der ca. 3 m langen und 30 cm hohen Bleche der Wandbekleidung ist einzeln revisionierbar.
Lichtkunst
Gestützt wird die perspektivische Betonung des Raums durch zwei feine, geschwungene Lichtlinien (Spectral) unter der Gewölbedecke, die die Künstlerin Eva-Maria Joeressen als Gegenpol zum hell erleuchteten Boden und zur Geradlinigkeit der Gleise entwarf. Am Ende der lang gestreckten Halle scheinen sie sich mit den Armen eines gelben Lichtkreuzes zu verbinden, das Joeressen als abstrahiertes Bild der überirdischen Straßenkreuzung in die fast raumhohe, rote Wand integrierte: Das Kreuz wird zum Signé des Ortes, dessen räumlichen Abschluss es bildet und in dessen perspektivischem Fokus es steht.
Die den Bahnsteig abschließende Wand ist mit rot emailliertem Stahlblech bekleidet (Omeras), intarsiert mit einem gläsernen Lichtkreuz. Das Kreuz zeichnet die exakte Ausbildung der Kreuzung Wittener Straße mit Lohring und Steinring nach.
Die gesamte Bahnsteigfläche von 550 m² ist wie ein Leuchtenkörper entwickelt. Deshalb sind die Scheiben auf je vier Viertelkreisflächen punktgelagert und 220 mm hoch aufgeständert. Von den drei jeweils 12 mm dicken und laminierten Glasscheiben ist die oberste zur Rutschsicherheit mit einer sandgeschmolzenen Oberfläche (Tetterode Glasatelier) ausgestattet, die unterste mit einem Siebdruck (Flachglas-Wesel) versehen.
In den Randbereichen sind die Leuchten montiert, deren Licht durch weiße Reflektorbleche gelenkt wird. Für die Tragkonstruktion des Glasbodens wurden Fischer UMV Verbundanker verwendet.
Klanginstallation in Echtzeit
Ähnlich, wie sich die physische Gestaltung des U-Bahnhofs auf die räumlichen Gegebenheiten selbst bezieht, greift auch die permanente Klanginstallation von Klaus Kessner die authentischen Bedingungen des Ortes und der an ihm stattfindenden Bewegungen auf. Wer am Gleis wartet, hört auf ungewohnte Weise komponierte, ambientartige Klänge. Gespeist werden die in den Gewölbewänden eingelassenen Lautsprecher von unsichtbaren Mikrophonen, die Kessner an verschiedenen Orten der Station selbst installierte; sie sammeln die Geräusche der Passanten, der Züge und des Straßenverkehrs und formieren sie nach einem musikalischen Duktus zu einem sich stetig wandelnden Echtzeit-Klang-Environment.
Reduktion auf den Ort
Architektur, Licht und Klang vereinen sich so zu einer geschlossenen Einheit, die auf das Wesen und den Raum des unterirdischen Verkehrsbauwerks selbst zurückverweist. Werbevitrinen und so genannte Infoscreens, wie sie andernorts längst zur Zerstreuung eingesetzt werden, fehlen hier im Übrigen: Bemerkenswert genug, waren sich die Architekten, die Künstler, die Stadt und die Verkehrsbetriebe einig, dass die Disziplin des Entwurfs durch derlei nicht gestört werden darf. Der Raum und die Interaktion der Künste, vor allem aber die Nutzer der Bochumer U-Bahn haben davon den Gewinn.
Weitere Informationen
Siebdruckglas bba 501 Eloxierte Decken-
Aluminiumhaut bba 502 Rot emaillierte Wand bba 503
Architekten: Rübsamen + Partner Architekten BDA Ingenieure, Mitarbeit (Wettbewerb): Sascha Hinz, Bochum/Bielefeld Tragwerksplanung: Rübsamen + Partner Architekten BDA Ingenieure, Detlef Laskowski, Fritz Stelter, Bochum/Bielefeld Kunstkonzept: Eva-Maria Joeressen, Willich-Neersen
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