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Vergleich zweier Energieeffizienz-Gebäude hinsichtlich Effektivität

Vergleich hinsichtlich Nutzenergie und energetischem Aufwand
Wie effektiv sind Energieeffizienz-Gebäude?

Wie effektiv sind sogenannte Energieeffizienz-Gebäude? Anhand ausgewählter Parameter hat Prof. Timo Leukefeld zwei Gebäude der Initiative „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ miteinander verglichen: das „Effizienzhaus Plus“ der Bundesregierung sowie das „Energieeffizienz-Haus Plus“ in Burghausen.

Prof. Timo Leukefeld

Effizienz und Effektivität

Wann ist ein Gebäude energieeffizient? Unter Effizienz versteht man allgemein das Verhältnis von Input zu Output oder auch den benötigten Aufwand im Verhältnis zum erreichten Ergebnis. Aber effizient kann auch wenig effektiv sein. So ist es durchaus möglich, die falschen Dinge effizient zu erledigen, was letztendlich eine Art Verschwendung darstellt.

Folglich hat die Effektivität einen höheren Stellenwert, da ihr Nutzen ein größerer ist. Denn Effizienz macht in Bezug auf Ressourcenwirtschaftlichkeit zunächst keine Aussage. Auch nützen die besten spezifischen Energiekennwerte wenig, wenn der Verbrauch absolut nicht abnimmt.

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Modellvorhaben der Bundesregierung

Die Konzepte der  Initiative „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ stehen sinnbildlich für den Weg hin zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand im Jahr 2050. Mit dem Modellvorhaben will die Bundesregierung neue Technologien in den Markt einführen, die höchste Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit erreichen.

Ziel ist es, Immobilien zu Kleinkraftwerken zu entwickeln. Diese sollen dann in der Jahresbilanz mehr Energie erzeugen, als für ihren Betrieb und ihre Nutzung erforderlich ist. Zudem sollen die Stromüberschüsse für Elektromobilität oder die Quartiersversorgung verwendet werden. Die gemessenen Daten stammen aus den Jahren 2012 bis 2014 (Berlin) und 2014 bis 2016 (Burghausen).

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Die zwei Projekte

Das Effizienzhaus Plus in Berlin

Das aus einem öffentlich ausgelobten Architektur- und Hochschulwettbewerb hervorgegangene, sehr exklusiv ausgeführte Energieeffizienz-Gebäude in Berlin hat eine beheizte Nettogrundfläche von 149 m² und wird mittels einer Luft/Wasser-Wärmepumpe (5,8 kW) und Photovoltaik-Anlage auf Dach (14,1 kWp auf 98,2 m²) und Fassade (8,0 kWp auf 73,0 m²) mit Strom und Wärme versorgt.

Sein zu beheizendes Gebäudevolumen beträgt 634 m³. Das Haus verfügt über eine Lithium-Ionen-Hochleistungsbatterie mit einer Kapazität von 40 kWh für die Strom-Zwischenspeicherung sowie eine Ladestation. Das „Haus der Zukunft“ soll somit nicht nur weitgehend energieautark sein, sondern auch eine niedrige CO2-Belastung aufweisen.

Das Gebäude wurde als Passivhaus errichtet, in die Zwischenräume der Holztafelbauweise wurde Zellulosedämmung eingeblasen. Es besitzt eine mechanische Lüftung mit 80 % Wärmerückgewinnung und einen Warmwasserspeicher mit einem Volumen von 288 l mit Elektroheizpatrone. Die Heizverteilung im Gebäude erfolgt über Fußbodenheizung. Zudem wurde eine aufwendige BUS-Systemsteuerung mit einem Eigenstromverbrauch von 1 500 kWh/Jahr installiert.

Das Energieeffizienz-Haus Plus in Burghausen

Das Effizienzhaus Plus in Burghausen, mit einer beheizten Nettogrundfläche von 176 m² und einem beheizten Gebäudevolumen von 1 216 m³, unterscheidet sich sowohl in Bauweise als auch Anlagentechnik. Zum einen wird Solarenergie mittels Photovoltaik (32 m² / 4,28 kWp plus 39 m² / 6,48 kWp) und einer großen Solarthermieanlage (51 m²) gewonnen.

Zum anderen erfolgt die Speicherung der Energie nicht elektrisch, sondern in Form von Wärme in der Baukonstruktion, sprich den massiven Ziegelwänden, wie auch in einem 48 m³ großen Wasser-Pufferspeicher. Es ist eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebaut.

Die Heizverteilung im Gebäude erfolgt über Flächenheizung und Bauteilaktivierung, damit ist eine kurzzeitige Wärmespeicherung über die Bauteilmassen möglich. In einer als Tagesspeicher – die Speicherleistung beträgt 10,8 kWh – ausgelegten Hochleistungsbatterie auf Basis von Lithium-Eisenphosphat, wird die überschüssige Energie der Photovoltaik vor allem für die Elektromobilität gespeichert.

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Prognose und Realität

Die im Berliner Energieeffizienz-Haus eingesetzte Technik ist sehr aufwändig, nicht nur die Regelung betreffend. Das hatte zur Folge, dass die gesetzten Ziele deutlich verfehlt wurden. So lagen der Energiebedarf des Gebäudes um 77% über der Prognose und der Solarertrag 20% unter der Prognose. Der erwartete Überschuss verfehlte gar um 91% das erhoffte Ergebnis1.

Das ist umso verwunderlicher, da der Hausverbrauch niedrig gerechnet wurde: Nach zunächst negativen Energiebilanzen wurden die Bemessungsdaten stark überarbeitet. Aus den nicht in die Energiebilanz fallenden Verbräuchen durch Außenbeleuchtung und Infoquelle wurden projektspezifische Verbräuche, die unter anderem um Batterie-Heizung und Batterie-Belüftung ergänzt wurden. Der Hausverbrauch sank dadurch deutlich. Die drohende negative Jahresbilanz des Hauses konnte somit abgewendet werden.

In Burghausen entsprach die Realität ziemlich genau den Erwartungen. Der Heizwärmeverbrauch des Hauses wich im ersten Jahr witterungsbereinigt um 3% von der Prognose ab, im zweiten Messjahr lag er nur ein halbes Prozent darüber. Der Ertrag der thermischen wie photovoltaischen Solaranlage bewegte sich in ähnlichen Messbereichen. In absoluten Beträgen schwankte der Heizwärmeverbrauch witterungs- und temperaturbereinigt zwischen 6 327 und 6 132 kWh/Jahr.

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Vergleich der Anlagentechnik

Grundsätzlich werden hier zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt. Diese sind nicht zuletzt der jeweiligen Architektur geschuldet. In Berlin wählte man eine optimierte städtebauliche Ausrichtung mit größtmöglicher Kompaktheit und achtete auf die Maximierung der Energiegewinne bei einer Minimierung der Wärmeverluste durch die Gebäudehülle, die gleichzeitig als großflächige Photovoltaikfläche dient.

Das Haus in Burghausen dagegen ist in monolithischer Ziegelbauweise errichtet. Die Ausrichtung der Häuser erfolgte zwecks einer höheren solaren Gewinnung nach Süden. Der größte Unterschied liegt jedoch darin, dass in Burghausen die aktiv erzeugte Wärme vor Ort zwischengespeichert wird, in Berlin Wärme dagegen überwiegend für den jeweiligen Bedarf augenblicklich aus Strom gewandelt wird.

In Burghausen wurde die Wärme sowohl in der Baukonstruktion, hier vor allem in den massiven Ziegelwänden, als auch in einem thermischen Speicher gelagert. Die Wärmeabgabe erfolgt über eine Wärmepumpe mit Wärmetauscher an das Gebäude, das Warmwasser wird über einen Wärmetauscher aus dem Schichtenspeicher entnommen. In Berlin arbeitet eine Luft/Wasser-Wärmepumpe mit Kompaktlüftungsgerät. Diese nutzt die Außenluft, auch bei niedrigen Außentemperaturen, als Wärmequelle für die Erwärmung des Trinkwarmwassers. Der Heizbedarf in den Wintermonaten wird durch eine im Fußboden verlegte Flächenheizung gedeckt. Außerdem wird das Zuluft-Nachheizregister durch die Luft/Wasser Wärmepumpe versorgt. Die Nutzung Erneuerbarer Energien ist deshalb stark witterungsabhängig.

Deutlich wird das auch in der Arbeitszahl der gesamten Wärmebereitstellung. Während man in Berlin auf einen durchschnittlichen Wert von gut 2 (das Maximum liegt bei 2,5) kommt, wird in Burghausen eine effektive Arbeitszahl der gesamten Haustechnik von 6,54 in der ersten Messperiode und 8,97 in der zweiten erreicht. Die Arbeitszahl des Energieerzeugers selbst, also der Solarthermieanlage, lag gar bei 12,17 beziehungsweise 18,29. Umwelt- und Klimaschützer fordern eine Jahresarbeitszahl (JAZ) von größer 4,0, denn dann sind nur noch 25% Strom erforderlich, um zusammen mit 75% Umweltwärme die Wärme zu erzeugen. Aber auch laut der Deutschen Energieagentur (dena) in Berlin und des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes (RWE) in Essen muss die Jahresarbeitszahl größer als 3 sein, um Wärmepumpen als „energieeffizient“ und größer als JAZ = 3,5 sein, um sie als „nennenswert energieeffizient“ bezeichnen zu können.

Der große Unterschied liegt nicht nur in der saisonalen Speicherung vor Ort, auch in Punkto Robustheit und Verlässlichkeit gibt es Differenzen. So ist die regelungstechnische Herausforderung bei ausgeklügelten Hybridsystemen durchaus groß. Selbst bei einem Vorzeigeprojekt wie dem in Berlin gab es große Schwierigkeiten. Noch befinden sich diese Systeme in einer Erprobungsphase, zu Stabilität und Lebensdauer lässt sich noch wenig aussagen. Der höhere technische und finanzielle Aufwand steht nach Lage der Dinge derzeit in einem Missverhältnis zum Ergebnis. Ganz davon abgesehen, wie sinnvoll sich die zunehmend komplexer werdende Gebäudetechnik als tauglich für den Massenmarkt erweisen wird. Auch sollte kritisch hinterfragt werden, ob damit letztlich nur vorgaukelt wird, dass ein übergeordnetes System die Fluktuation der Erneuerbaren Energien kompensieren kann.

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Speicherfähigkeit

Langzeitstabiler sind hier massive Wandbaustoffe. Diese können zwischen 6 bis 10% der erzeugten Energie speichern. Massive Ziegelwände wie in Burghausen können dies leicht mehr als 100 Jahre ermöglichen. Dadurch wird sowohl die Sommerhitze durch die Phasenverschiebung des Temperaturverlaufs besser gepuffert, als auch im Winter die Wärmeenergie länger im Gebäude gehalten. Das Ganze geschieht ohne diffizile Technik und völlig wartungsfrei.

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Autarkiequote / Solare Deckung

Es ist letztendlich immer eine Frage der Definition, ab wann Immobilien als Kleinkraftwerke bezeichnet werden können. Da keines der beiden Effizienzgebäude eine vollständige Autarkie erreicht, diese auch nicht angestrebt wird, wäre ein vergleichbarer Wert die Autarkiequote oder die solare Deckung.

Der solare Deckungsgrad beschreibt den Beitrag der Sonne zum Wärmehaushalt des Gebäudes. Beispielsweise bedeutet eine solare Deckung von 70%, dass 30% des Wärmebedarfs nicht von der Sonne bezogen wird. Leider liegen die Werte nicht analog vor, so dass die Differenzen nur grob veranschaulicht werden können.

Während es in Burghausen ermittelte Werte für die solare Deckung im Bereich Wärme (90% und 94%) und für den Strom- und Eigenverbrauch inklusive Elektromobilität (54% und 61%,) gibt, liegen für das Berliner Haus nur kumulierte Werte vor. Hier liegt der Energiebedarf inklusive Elektromobilität bei 16 374 und 9 978 kWh/a, der Ertrag bei jeweils 13 306 und 13 490 kWh/a für die jeweilige Messperiode.

So ergibt sich in den zwei Jahren ein Bilanzwert von –2 074 kWh bzw. +3 512 kWh. Damit musste das Gebäude von September bis März teilweise erhebliche Mengen Strom beziehen. Berücksichtigt man in Berlin die sogenannten projektspezifischen Strommengen (4 074 kWh/Jahr bzw. 5 610 kWh/Jahr), dann ergeben sich Defizite von 7 142 kWh/Jahr bzw. 11 902 kWh/Jahr. Die solare Deckung des Berliner Gebäudes liegt, berücksichtig man alle Verbräuche (in Summe 10 958 kWh/Jahr), somit bei gerade mal 34%. Das Haus in Berlin belastet auf diese Weise das Netz sehr, da im Sommer viel eingespeist und im Winter massiv Strom bezogen wird. In Burghausen kommt man inklusive der Ladung von Elektromobilen auf einen Stromüberschuss von 3 133 kWh/Jahr bzw. 3 406 kWh/Jahr.

Bilanziert man das Angebot und den Verbrauch der Energie in jährlichen Statistiken, sitzt man leicht der „saisonalen Illusion“ auf. Verzichtet man auf die Speicherung und errechnet eine „bilanzielle“ Deckung, ist das letztendlich eine Art Selbsttäuschung, da die Betreiber dieses Kleinkraftwerks die fehlenden Kilowattstunden aus dem öffentlichen Netz beziehen müssen, genau dann, wenn es alle anderen auch tun. Nicht übersehen werden sollte auch, dass eine Speicherung in Batterien ein Vielfaches an Kosten verursacht, verglichen mit der thermischen Speicherung in Langzeitspeichern und massiven Bauteilen. Dabei ist deren Ressourcenaufwand noch nicht berücksichtigt.

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Umweltschutz / Recycling

Über die Lebensdauer des Leichtbaus in Berlin lässt sich nur spekulieren, da es nach seiner Testphase wieder abgetragen werden muss. Jedoch wird bei hochtechnischen Gebäuden bisweilen der Herstellungsenergiebedarf unterschätzt. So kann der eines Niedrigenergie- und Passivhauses wesentlich höher sein, als der während des gesamten Lebenszyklus erforderliche Heizenergiebedarf.

Hauptverantwortlich dafür sind Bauteile, welche in zahlreichen energieintensiven Umwandlungsschritten hergestellt werden. Im ungünstigen Fall kann die graue Energie für die Gebäudeerrichtung mehr als das 100-fache des jährlichen Heizenergiebedarfs betragen. Da die erwartete Lebensdauer von Passivhäusern oftmals kürzer als 100 Jahre ist, hat die graue Energie dort mehr Einfluss auf den Gesamtenergiebedarf als die Heizenergie selbst. Leider findet das derzeit jedoch bei der Beurteilung von Gebäudeentwürfen kaum Beachtung. Dies wäre jedoch wichtig, um den CO2-Rucksack eines Gebäudes nicht unnötig schwer werden zu lassen.

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Kostenvergleich

In den offiziellen Daten wird zwischen den Bauwerk-Kostengruppen (KG) 300 (Baukonstruktionen) und 400 (technische Anlagen) unterschieden. Die Baukosten der zwei Gebäude differieren gewaltig. So werden diese bei dem Haus in Burghausen für die KG 300 mit ca. 375 000 Euro angegeben, in der KG 400 mit ca. 207 000 Euro, in Summe sind das 582 000 Euro.

Das Energieeffizienz-Gebäude in Berlin kostete 1 080 000 Euro (KG 300) und 566 000 Euro (KG 400), beide Kostengruppen addiert also 1 646 000 Euro. Damit ist das Berliner Effizienzgebäude fast dreimal so teuer wie das in Burghausen.

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Resümee

Um auf die anfangs beschriebenen Begriffe Effizienz und Effektivität zurückzukommen: Das Energieeffizienz-Gebäude in Burghausen ist durch seine auf Dauerhaftigkeit und Robustheit ausgelegte Bauweise deutlich effektiver. Konzentriert man sich zu sehr auf Effizienz, wird der energetische Aufwand, sprich die aufgewendete graue Energie im Verhältnis zur Nutzungsdauer, leicht nach hinten gedrängt. Oftmals ist es mit einfachen und bewährten Mittel einfacher, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

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