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Wie ein Wellenbrecher

Neubau einer Firmenzentrale in Graz
Wie ein Wellenbrecher

„Es scheint, als sei ein Raumschiff gelandet“. Auch, wenn dieser Satz schon bei so manchem Bauwerk bemüht wurde, in Graz trifft er zu. Denn was GSarchitects für das Baufeld in der Grazer Vorstadt entworfen und für den Hauptnutzer, die Uniopt Pachleitner Group, umgesetzt haben, ist spektakulär und setzt ein weiteres architektonisches Zeichen in dieser Stadt.

Dipl. Ing. Marc Nagel

Graz, das ist nicht einfach nur die Landeshauptstadt der Steiermark und ehemalige Kulturhauptstadt Europas. Graz hat nicht nur eine schöne Altstadt mit dem Schloss Eggenberg, UNESCO-Weltkulturerbe. Graz steht vor allem auch für Design, Architektur und Kunst. Deshalb verwundert es nicht, in dieser Stadt ein Gebäude wie die neue Firmenzentrale der Uniopt Pachleitner Group zu entdecken. Denn neben diesem Raumschiff der Architektur sind hier schon ganz andere gelandet. Am bekanntesten dürfte wohl das Kunsthaus sein, das aus der Feder von Peter Cook und Colin Fournier stammt.
Doch die meisten der bekannten und spektakulären Bauten stehen in der Innenstadt. Das neue Firmengebäude nach den Entwürfen von GSarchitects aber steht an der Liebenauer Tangente, dort also, wo man das erste Mal der Stadt begegnet, wenn man sich ihr von Süden nähert. Und hier setzt der MP09 genannte Bau nicht nur ein städtebauliches Zeichen, er wirkt auch wie ein Vorbote aus einer anderen Zeit oder einer anderen Welt. Denn von seiner direkten Nachbarschaft aus Mehrfamilienhäusern mit Krüppelwalm- und Satteldach hebt sich der schwarze und mächtige Baukörper ebenso ab wie vom nahe gelegenen Fußballstadion oder der Eissporthalle.
Schutz vor Verkehrswelle
Dabei erdrückt das große Volumen des MP09 zunächst in der Kavaliersperspektive betrachtet etwas den Bestand in seiner Umgebung. Eigentlich aber legt sich der Körper schützend vor die anbrandende Verkehrswelle, die aus Süden auf Graz zurollt und schirmt so die hinter ihm befindlichen Wohnungen vor Lärm ab. Dabei erinnert der Baukörper aus der Vogelschau gesehen, im Grundriss ein flaches V beschreibend, tatsächlich an einen Wellenbrecher. Der nach Westen zeigende Gebäudeflügel begleitet dabei die große Hauptstraße, während der südliche Flügel als Riegel zwischen dem benachbarten Wohngebiet und einem nahen Grünzug liegt.
Die Fassade, mit der sich der Baukörper dabei den ankommenden Autofahrern präsentiert, ist jedoch mehr als eine der typischen Glas- und Stahlfassaden, die sonst als Hülle für Verwaltungsgebäude dienen. Denn mit seiner schwarzen Glasfassade von Sto und den Fensterbändern prägt das MP09 seine Umgebung. Die dabei verwendeten StoVerotec Glass-Elemente sind Teil einer vorgehängten, hinterlüfteten Fassade, die im Aufbau aus einer Wärmedämmung, einem Profilsystem als Tragkonstruktion, einer speziellen Trägerplatte sowie einem Deckmaterial besteht. Im Falle des MP09 ist das Deckmaterial das bereits erwähnte, in RAL 9005 eingefärbte Glas. Weiterer Vorteil dieser Lösung: Da das Produkt für den Überkopfbereich zugelassen ist, konnte es in Graz auch bei den vielfältigen Überhängen verwendet werden.
Bei der Farbe der Fassade ist es übrigens kein Wunder, dass dieses Gebäude den Spitznamen „Schwarzer Panther“ erhalten hat. Ein Name, der auch passend erscheint, weil der Körper des schwarzen Verwaltungsbaus nicht satt auf seinem Baugrund aufliegt, sondern mit seinem Sockelgeschoss und der Auflösung der Erdgeschossfassade eine gewisse Dynamik vermittelt – sofern man dies über eine Immobilie sagen kann. Gerade die Auflösung der Erdgeschosszone steht dem MP09 gut, da hier der hohe Anteil an Glas in der Fassade den Eindruck entstehen lässt, dieser Bau stehe auf Stelzen. Oder soll man Pfoten sagen?
Viele Assoziationen durch ungewöhnliche Formen
Dabei weckt dieses Stahlbeton-Gebäude Emotionen. Denn dieses Raumschiff, Wellenbrecher oder Schwarzer Panther lässt einen nicht unbeeindruckt. Dies hat seinen Grund darin, dass man beim Betrachten immer wieder neue Details entdeckt und ungewöhnliche Formen erblickt.
Um die Unebenheiten des Baugrundstücks auszugleichen, wurde beim Aufbau des Gebäudes eine Sockelzone entworfen, in der sich neben einer Parkgarage und Lagerräumen auch Verkaufsflächen und Büros befinden. Durch das leicht abfallende Gelände war es möglich, diese Bereiche natürlich zu belichten. Mit dem Sockel gelang es den Architekten zudem eine eigene Geländetopographie zu schaffen und diese mit Terrassen, Zufahrten und Parkplätzen zu nutzen.
Das eigentliche Gebäude aber erhebt sich über dieser Sockelzone und ist so organisiert, dass sich zwei Bereiche heraus bilden. Im viergeschossigen Westflügel mit seinen 5 200 m2 Nutzfläche befindet sich die Firmenzentrale der Uniopt Pachleitner Group, während sich im fünfgeschossigen Südflügel 4 500 m2 Büroflächen zur Fremdvermietung befinden. Die exponierteste Lage hat dabei das Büro des Bauherren Michael Pachleitner. Er arbeitet direkt an der Spitze der Auskragung im Westen und verfügt neben seinem Büro über eine Terrasse und eine Lounge. Damit zeigt er, dass seine Philosophie, jedem Mitarbeiter den passenden Arbeitsplatz zu bieten, auch beim eigenen Büro nicht endet und seine Aussage „Wenn man schon 80 % seines Lebens mit Arbeit verbringt, sollte man diese Zeit in einer ansprechenden Umgebung verbringen“ ernst gemeint ist. Eine Aussage, die man am MP09 ablesen kann.
Zentrale Erschließung
Erschlossen werden die Räume über ein 350 m2 großes Atrium, dessen Höhe über alle Geschosse geht und das so eine einladende und offene Situation anbietet. Auf einer Ebene mit diesem Eingangsbereich befindet sich zudem ein Restaurant sowie der hauseigene Schmuckshop, der sich zur Straße hin orientiert. Das Foyer ist dabei nicht einfach nur eine Grundfläche mit viel Luftraum darüber, sondern wird für sich inszeniert. So gehen von hier Treppenaufgänge ab. Frei tragende Brücken, in Stahlbeton gefertigt, verbinden die Gebäudeteile miteinander und heben die eigentliche Trennung der beiden Flügel wieder auf. Das Besondere an diesem großen Empfangsraum ist zudem, dass er neben einem verglasten Dach und einer Stahlträgerkonstruktion auch über verglaste Innen-Fassaden verfügt. So sind Blickbeziehungen zwischen den Räume der unterschiedlichsten Ebenen möglich.
Farblich gestaltet sich das Innere des MP09 als angenehmer Kontrast zur schwarzen Fassade. Die Farben Grau, Beige, Braun, Weiß und Schwarz dominieren und wechseln in ihrer Materialität. Beim Aufbau der Etagen wurde im Bereich, der von Uniopt Pachleitner genutzt wird, darauf geachtet, dass alle Einrichtungen vorhanden sind, um das Arbeiten angenehm zu machen. Jedes Geschoss verfügt über einen Empfangsbereich, eine Kaffeebar sowie eine vorgelagerte Terrasse. Die Showrooms und Besprechungsräume sind so angeordnet, dass sie sich zum Luftraum des Foyers hin orientieren und hierüber natürliches Licht erhalten.
Eigenleistung
Wie groß der Gestaltungswille der Architekten beim Entwurf war, sieht man nicht nur an Detaillösungen. Auch die Möblierung ist ein Beleg hierfür. Denn bis auf die Stühle und die meisten Tische stammen die Möbel aus der Feder von GSarchitects. Als wichtigstes Material wurde hier Corian in Schwarz und Weiß eingesetzt, aus dem sowohl die rechteckigen, abgerundeten Empfangspulte als auch die Verkaufsmöbel gefertigt sind. Die Pläne der Architekten wurden von der X-Tec GmbH aus Kirchberg an der Raab in Österreich umgesetzt. Damit zeigen die Architekten, dass eine durchgängige Handschrift einem Projekt durchaus gut tun kann. Denn die Gefahr der Uniformität besteht zwar, wurde in Graz aber geschickt umfahren. Dazu tragen auch die ebenfalls nach den Plänen der Architekten gefertigten ovalen Besprechungstische aus Corian bei. Zudem bildet der Design-Klassiker Aluminium Chair von Vitra als Sitzmöbel eine ideale Ergänzung.
Insgesamt kann man dem MP09 ein sehr gutes Zeugnis ausstellen. Ob natürlich die starke monochrome Farbgebung als Arbeitsumgebung tatsächlich passend ist und ob man sich hier wohl fühlt, kann man als Kurzzeitbetrachter schwer einschätzen. Den Willen des Bauherren und der Architekten, eine ansprechende und anregende Arbeitsumgebung zu schaffen, merkt man dem Gebäude aber auf jeden Fall an. Dass zudem ein durchaus auffälliges architektonisches Zeichen entstanden ist, von denen es in dieser Stadt nicht wenige gibt, rundet die Sache ab.
Danijela Goijc, GSarchitects: „Der „schwarze Panther“ war eine dreidimensionale Wettbewerbsskizze und als Gedankenmodell perfekt. Wenn sich an dieser ersten Idee etwas geändert hat, dann der Umstand, dass der Bauherr mit uns gemeinsam diese Idee zu seinem maßgeschneiderten Haus weiterentwickelt hat – und jetzt ist es für beide von uns zu Ende erzählt.“
Michael Gattermeyer, GSarchitects: „Die erste Idee muss nicht zwingend die beste sein, aber wenn ein Projekt über den Planungs- und Bauprozess hinweg Veränderungen zulässt, ohne dabei den Charakter zu verlieren, dann ist das ein starker Entwurf. Und das ist das MP09.“
Architekt: GSarchitects ZT-Gesellschaft m.b.H., Architektin DI Danijela Goijc, Graz
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