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Wasserhaushalt bei Dachbegrünung

Weder zu viel noch zu wenig
Wasserhaushalt bei Dachbegrünung

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Begrünte Dächer benötigen ein Wassermanagement, das verschiedene und teilweise sogar gegensätzliche Aspekte berücksichtigen muss. So ist etwa der Wasserrückstau aus statischen Gründen zu begrenzen, gleichzeitig soll mit Blick auf die städtische Kanalisation ein möglichst hoher Wasserrückhalt erreicht werden. Eine Dachbegrünung benötigt darum Drän- und Speicherschichten, die inzwischen sogar mit aktiver Abflussregulierung ausgerüstet werden können.

Markus Hoeft

Der mittlere jährliche Niederschlag liegt in Deutschland meist in Größenordnungen zwischen 700 und 750 l/m². Auch wenn die Werte natürlich von Region zu Region und von Jahr zu Jahr schwanken, bedeutet dies in aller Regel eine auskömmliche Regenmenge für die Landwirtschaft und den Gartenbau – oder auch die Dachbegrünung, um die es hier gehen soll.

Der zu Ende gegangene Sommer hat jedoch eindrücklich demonstriert, dass der Blick allein auf den Jahresdurchschnitt kaum ausreicht. Es kann zwischendurch sowohl zu heftigen Starkregenereignissen als auch zu längeren Perioden ohne Niederschläge kommen. Dem mathematischen Jahres-Durchschnitt ist die monatliche Verteilung des Regens schließlich egal.

Auch im niederschlagstechnisch eher begnadet liegenden Deutschland muss daher die Planung von Dachbegrünungen mit einem Regenwassermanagement einhergehen, das sich deutlich von der Entwässerungsplanung bei unbegrünten Steil- oder Flachdächern unterscheidet. Denn bei diesen geht es meist nur darum, das Niederschlagswasser möglichst schnell und möglichst vollständig von den Dachflächen abzuleiten.

Auf dem Gründach hingegen sind mehrere Zielparameter zu beachten, die teilweise im Gegensatz zueinander stehen. Ein Zuwenig an Wasser – sei es durch ausbleibende Niederschläge oder durch zu schnell abgeleitetes Niederschlagswasser – kann zum Vertrocknen der Dachbepflanzung führen. Damit werden die angestrebten ökologischen und architektonischen Effekte hinfällig. Von höheren Gebäuden einsehbare Gründächer können im vertrockneten Zustand ausgemacht hässlich wirken.

Viele Pflanzen vertragen jedoch keine Staunässe, also kein Zuviel an Wasser, weil ihre Wurzeln dann keinen Sauerstoff mehr bekommen. Das auf dem Dach verbleibende Wasser erhöht außerdem die Dachlast und muss schon allein aus statischen Gründen begrenzt werden. Gleichzeitig ist ein gewisser Wasserrückhalt meistens ausdrücklich erwünscht, weil diese Wasseranteile die Kanalisation gar nicht oder erst zeitlich verzögert erreichen und so die kommunalen Regenwasserleitungen entlasten.

In einigen Städten wird dieser Vorteil mit einem Bonus im Rahmen der gesplitteten Abwassergebühr belohnt, was für den Bauherrn eventuell ein zusätzliches Motiv für die Dachbegrünung ist und vom Planer bei der Dimensionierung des Wassermanagements berücksichtigt werden muss.

Für den Wasserrückhalt optimierte Retentionsdächer

Begrünte Dächer können je nach Bauart und Aufbauhöhe etwa 50 bis 90% der Niederschläge auf dem Dach zurückhalten. Das Wasser wird zum Teil von den Pflanzen aufgenommen und kehrt dann über deren Transpiration in den natürlichen Wasserkreislauf zurück. Das Substrat sowie Drainage- und Speicherschichten unterhalb des Substrats speichern weitere Anteile.

Dieses Wasser kann nach dem Regenereignis verdunsten, den Pflanzen zugutekommen oder zeitverzögert über die Dachentwässerung abfließen. Verdunstung unterstützt die bei der Dachbegrünung zu beobachtenden, ökologisch günstigen Abkühlungseffekte für das Stadtklima. Die verzögerten Abflussspitzen entlasten bei Starkregenereignissen die kommunale Kanalisation.

Ein möglichst großer Wasserrückhalt hat also in mehrfacher Hinsicht positive Auswirkungen. Er erhöht allerdings die statischen Anforderungen an die Dachkonstruktion und verlangt eine aufwändigere Bauweise für das Gründach.

Extensive Dachbegrünungen mit ihren geringen Aufbauhöhen um 10 cm halten vergleichsweise wenig Regenwasser zurück. Dafür stellen sie aber auch nur eine geringe zusätzliche Dachlast dar, die im wassergesättigten Zustand meist um 100 kg/m² beträgt und bei den sogenannten Leichtdächern auch noch deutlich darunter liegen kann. Extensive Dachbegrünungen arbeiten hauptsächlich mit Moos und Sedum, eventuell ergänzt um Gras und Kräuter. Diese Pflanzenfamilien benötigen nur in der Anwachsphase eine Bewässerung und sind dann relativ trockenresistent. Um den Artenreichtum zu erhalten, kann aber in besonders trockenen Regionen auch bei extensiven Dachbegrünungen eine Bewässerung überlegenswert sein.

Ein Mehr in jeder Hinsicht bieten intensive Dachbegrünungen: Sie haben größere Aufbauhöhen und erzeugen eine deutlich höhere zusätzliche Dachlast. Dafür ist jedoch auch ihr Wasserspeichervermögen größer. Je nach Schütthöhe des Substrats können neben Gräsern und Kräutern auch Rasen, Stauden oder Kleingehölze für die Begrünung eingesetzt werden, was die architektonische Wirkung aufwertet und eine Nutzung als Dachgarten ermöglicht. Solche anspruchsvollen und repräsentativen Grüngestaltungen benötigen allerdings eine regelmäßige Bewässerung, die elegant und wassersparend mit Tropfschläuchen innerhalb des Aufbaus verwirklicht werden kann.

Einen guten Kompromiss zwischen hohem Wasserrückhalt und einer möglichst leichten Dachbegrünung stellen sogenannte Retentionsdächer dar, wie sie verschiedene Gründach-Systemanbieter im Sortiment haben. Es handelt sich um Aufbauten, die speziell für einen genau definierten Wasserrückhalt und die Reduzierung von Abflussspitzen optimiert wurden. Dabei wird zusätzlicher Stauraum geschaffen, dessen Abfluss sich über eine Drosselklappe regeln lässt. Bei fachgerechter Einstellung leidet das Wurzelwerk nicht unter Staunässe, kann aber in Trockenperioden das angestaute Wasser mittels Kapillarleitung im Aufbau nutzen.

Neueste Entwicklungen verbinden die Drossel über das Internet mit den Vorhersagen eines Wetterdienstes. Kündigt sich beispielsweise Regen an, lässt sich per Wetter-App der Ablauf öffnen und somit sicherstellen, dass der Wasserrückhalt auf dem Dach den zu erwartenden Regen aufnehmen kann. Damit ist ausreichend Stauvolumen vorhanden und die Regenwasserableitung vom Dach bzw. in der Kanalisation wird entsprechend entlastet. Folgen anschließend wieder Trockenperioden, bleibt der Abfluss verschlossen, sodass das Wasser den Pflanzen zur Verfügung steht.

Dränage mit definiertem Speicher und Abfluss

Bei Retentionsdächern oder auch normalen extensiven bzw. intensiven Dachbegrünungen von Systemanbietern hat der Planer den Vorteil, dass alle wassertechnischen Kennwerte des gewählten Systems den Unterlagen entnommen werden können.

Mit Angaben zum Wasserspeichervolumen, dem wassergesättigten Gewicht, dem Abflussbeiwert oder der Abflussspende beim 15-minütigen Bemessungsregen lassen sich dann vom Planer sowohl die Dachlast als auch die Dachentwässerung relativ einfach berechnen.

Statt eines vom Anbieter vorgeplanten Systemaufbaus können Gründächer auch mit einzeln ausgewählten, eventuell von verschiedenen Herstellern stammenden Komponenten ausgeführt werden. Wichtigstes Bauteil für die Steuerung des Wasserablaufs beim Gründach ist dabei die Dränschicht. Im konventionellen mehrschichtigen Aufbau einer extensiven Dachbegrünung wird sie meist als mineralische Schüttung auf der wurzelfesten Abdichtung sowie einer Trenn- und Schutzlage eingebaut. Oberhalb der Dränschicht folgen ein Filtervlies, das das Zusetzen der Dränung verhindert, die Substratschicht sowie schließlich die Vegetation.

Im Gewicht leichter und rationeller in der Ausführung als dieser klassische Aufbau sind häufig plattenförmige Dränelemente oder -bahnen, die auch unter dem Begriff Festkörperdränage zusammengefasst werden. Für einfache Ansprüche können dies vliesartige Gelegematten sein, für höherwertige Ausführungen werden vor allem Noppenplatten oder -bahnen aus tiefgezogenen Kunststoff-Hartfolien eingesetzt, die in ihrer Form etwas an Eierkartons erinnern. Die Mulden dienen dabei als zusätzlicher Wasserspeicher der Dachbegrünung für trockene Perioden.

Verlegekomfort bieten Festkörperdränagen vor allem dann, wenn sie mehrere Funktionen in einem Bauteil vereinen, weil dies die Anzahl der einzubauenden Schichten reduziert. Neben der schon angesprochenen Funktion der Wasserspeicherung liegt es beispielsweise nahe, das oberseitige Filtervlies, das die Dränung gegen das allmähliche Zusetzen mit Feinpartikeln schützt, schon im Werk auf die Elemente oder Bahnen zu kaschieren. Zusätzlich kann die Unterseite als Trenn- und Schutzschicht gegen die wurzelfeste Abdichtung ausgebildet sein.

Dachbegrünung und urbane Funktionalität

Bei der Auswahl eines Systemdachaufbaus oder auch der Planung mit einzelnen Komponenten sind neben den technischen Parametern der Entwässerung und des Wasserrückhalts ggf. auch bestimmte kommunale Randbedingungen zu beachten. So können Städte und Gemeinden Dachbegrünungen in Bebauungsplänen festlegen und/oder ihre Ausführung finanziell fördern. In beiden Fällen ist zu prüfen, ob bestimmte Qualitäten für den Aufbau verlangt werden.

Das gilt auch, wenn finanzielle Vorteile des Gründachs im Rahmen der gesplitteten Abwassergebühr in Anspruch genommen werden sollen. In der Regel geben die Abwassersatzungen darüber Auskunft, ob eine Kommune getrennte Tarife für Abwasser und Regenwasser hat und Gründächer dabei mit einem Bonus berücksichtigt. Ist dies der Fall, wird meist ein prozentualer Nachlass auf die Niederschlagsgebühr für die nicht versiegelte, weil begrünte Dachfläche gewährt. Nach einer Umfrage der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.V. (FBB) beträgt der Nachlass 20% bis 100% und liegt in den meisten Städten bei 50%. Um ihn in Anspruch nehmen zu können, muss das Gründach allerdings eventuell Voraussetzungen gemäß der jeweiligen Satzung erfüllen, etwa beim Abflussbeiwert, den Aufbauhöhen oder ganz allgemein durch die Einhaltung der FLL -Richtlinien.

Der hundertprozentige Nachlass ist oft an die vollständige Versickerung des Regenwassers auf dem eigenen Grundstück gebunden. Genau genommen ist in diesen Fällen also gar nicht das Gründach die primäre Voraussetzung für die Reduzierung der Niederschlagsgebühr, sondern eben das Vorhandensein ausreichender Versickerungsflächen. Der Wasserrückhalt eines begrünten Dachs ermöglicht es jedoch, diese Flächen geringer zu dimensionieren. Gerade in dicht bebauten Großstädten sorgt vor allem die Kombination von Dachbegrünungen und ebenerdigen Versickerungsflächen für eine nachhaltige Entlastung der Kanalisation. Solche als „Schwammstadt“ bezeichneten städtebaulichen Konzepte bieten die Chance, die urbane Funktionalität auch bei sehr ungleichmäßiger Verteilung des Niederschlags über das Jahr und bei vermehrt auftretenden Starkregenereignissen zu bewahren.


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