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Warme Ausstrahlung in Hanglage

Neubau eines Psychiatriegebäudes in Friedrichshafen
Warme Ausstrahlung in Hanglage

In Friedrichshafen am Bodensee wurde im vergangenen Jahr das neue Zentrum für Psychiatrie fertig gestellt. Der von Huber Staudt Architekten geplante Neubau setzt dem bestehendem Hauptgebäude des Klinikums ein modern gestaltetes Hanghaus mit Sichtbetonflächen und Holz entgegen. Im Kern des Ensembles steht ein begrünter Innenhof zur Verfügung.

Robert Uhde

Wer sich die Räumlichkeiten einer Psychiatrie vorstellt, dem kommt schnell ein beklemmender Bau mit langen, kafkaesken Fluren und mit erdrückender Atmosphäre in den Sinn. Genau diesen Eindruck wollten die Berliner Huber Staudt Architekten vermeiden, als sie Anfang 2009 nach dem Gewinn des beschränkt offenen Wettbewerbs mit der Planung des neuen Zentrums für Psychiatrie des Klinikums Friedrichshafen beauftragt wurden. Der gemeinsam mit den Berliner Landschaftsarchitekten Bernard und Sattler realisierte Neubau bietet 76 Betten für die Psychiatrie sowie für psychosomatische Patienten und überzeugt dabei durch seine offene und kontrastreiche Architektur sowie durch den fließenden Übergang zwischen innen und außen.
Reizvolle Hanglage
Ausgangspunkt des Entwurfes war die Lage des Grundstücks auf dem weitläufigen Campus des bestehenden Klinikums Friedrichshafen: In nordöstlicher Richtung trifft der Blick dort auf das Hauptgebäude aus den 1960er-Jahren, in gegenüberliegender Richtung gleitet er den flach absteigenden Hang hinab bis zum Bodensee. Als weitere Gebäude auf dem fußläufig erschlossenen Areal finden sich mehrere Wohngebäude, ein Mutter-Kind-Zentrum, ein Ärztehaus, eine Strahlentherapie und eine Kita.
Um die leicht abschüssige Topografie des Standortes optimal zu nutzen und einen Kontrast zur maximal neungeschossigen Architektur des Hauptgebäudes zu schaffen, haben die Architekten den Neubau typologisch als Hanghaus konzipiert. Die flache, lediglich ein- bis dreigeschossige Bauweise mit ihren kubischen Formen fügt sich sensibel in die Höhenentwicklung des Campus ein und lässt den umliegenden Bauten ausreichend Aussicht und Besonnung. Rein funktional erfüllt die flache Anordnung außerdem die Höhenvorgaben der neu errichteten Einflugschneise für Rettungshubschrauber.
Innenhof: Orientierung und Therapie
Um eine optimierte Tageslichtnutzung in sämtlichen Bereichen zu ermöglichen und somit auch den Therapieerfolg zu unterstützen, haben die Architekten Christian Huber und Joachim Staudt den Neubau um einen begrünten Innenhof herum entwickelt. „Durch den Innenhof haben die Patienten die Möglichkeit, direkt nach draußen zu gelangen“ erklärt Joachim Staudt. „Das war uns vor allem wichtig für solche Menschen, die gegen ihren Willen hier untergebracht sind. Darüber hinaus ermöglicht der Innenhof eine einfache Orientierung innerhalb des Gebäudes und erleichtert es den Patienten somit, sich trotz der fremden Umgebung schnell zu Hause zu fühlen.“
Zusätzlichen therapeutischen Nutzen erhält die Fläche durch die Gestaltung als Gemeinschaftsgarten mit Sitzbänken sowie „Sinnesgärten“ zur Schulung des Geruchs- oder Tastsinns. Betont wird die Verbindung zur Landschaft durch die in südöstlicher Richtung in die Gebäudekubatur integrierte, über eine Länge von 18 m frei tragende Brücke.
„Der großzügig verglaste Baukörper schafft ein Fenster zur Landschaft und ermöglicht einen Rundgang durch das Gebäude mit kurzen Wegen für das Personal und die Patienten“, erklärt Joachim Staudt das Konzept. „Die unterhalb der Brücke sich ergebende ‚Unterführung‘ bietet zudem einen direkten Zugang in die grüne Umgebung und lässt die Hanglage des Neubaus auch im Innenhof spürbar werden.“
Gelungener Materialkontrast
Ähnlich abwechslungsreich präsentiert sich auch die materialbetonte Gestaltung der Oberflächen. Große Sichtbetonflächen, auf denen die Konturen der Holzschalung sichtbar geblieben sind, wechseln dabei mit vertikal wie horizontal eingesetzten Latten aus Weißtanne sowie mit gezielt gesetzten Fensteröffnungen unterschiedlicher Größe. Zusätzliche Kontraste schaffen die vorgefertigten, horizontal profilierten Attika- und Brüstungselemente aus Beton. Die jeweils 7,20 m langen und tonnen-schweren Elemente (Georg Reisch GmbH & Co. KG) wurden werkseitig mit Hilfe von horizontal strukturierten Matrizen gefertigt und vor Ort mit höchster Präzision in der Fassade verankert. Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Elemente ist eine kontrastreiche und materialbetonte Collage entstanden, die dem Gebäude trotz seiner kubischen Formen eine lebendige, warme und freundliche Ausstrahlung verleiht.
Raumgliederung und Gestaltung
Im Innenraum gelangen die Besucher und Patienten zunächst in die zweigeschossige, mit viel Holz gestaltete Eingangshalle mit dem Sekretariat (die Mitarbeiter betreten des Gebäude alternativ über den südlich gelegenen Personaleingang). Die offene, durch eine große Fensterfront nach Südwesten zur Landschaft hin orientierte Lobby erschließt sämtliche Funktionen des Neubaus: „Im Erdgeschoss finden sich die beiden Pflegestationen der Psychiatrie mit insgesamt 2 x 25 Plätzen, im Obergeschoss schließt sich die eigenständig betriebene Klinik für psychosomatische Medizin mit 26 Plätzen an“, erklärt Joachim Staudt. „Als zusätzliche Funktionen haben wir mehrere Büro- und Mitarbeiterräume, eine kleine Cafeteria sowie gemeinsam nutzbare Therapie- und Aufenthaltsräume im Hanggeschoss integriert.“
In den unterschiedlichen Stationen untergliedern offene Aufenthalts- und Gruppenräume die Fläche in überschaubare Zonen. Die einzelnen Zimmer sind mit räumlich abgetrennten Schlafnischen sowie mit einem barrieregerecht ausgestatteten Bad ausgestattet.
„Die in einigen Bereichen vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen für suizidgefährdete Patienten haben wir dabei so unterschwellig und zurückhaltend wie möglich gestaltet“, erklärt Joachim Staudt das Konzept. Die freundliche und angenehme Gestaltung sorgt in sämtlichen Bereichen für eine wohnliche Atmosphäre, die sich den gängigen Klischeebildern einer Psychiatrie mühelos widersetzt.
Und so verwundert es nicht, dass die Architekten inzwischen mit dem Bau eines weiteren Zentrums für Psychiatrie im nahe gelegenen Konstanz beauftragt wurden, am gegenüber liegenden Südufer des Bodensees.
Architekten: Huber Staudt Architekten, Berlin Projektteam: Julian Arons, Magdalena Falska, António Henriques, Christian Huber, Leander Moons, Jördis Petzold, Joachim Staudt, Sofia Theodorou Bauleitung: baulinie architekten, Ravensburg, Ulrich Gläser Landschaftsplanung: Bernard und Sattler, Berlin
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