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Mit Charakter und reichlich Energie

Umbau eines Getreidespeichers zum Wohn- und Gewerbegebäude in Mannheim
Mit Charakter und reichlich Energie

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In den 1950er-Jahren als funktionaler Getreidespeicher für Notzeiten errichtet, bietet der Speicher 7 heute großzügig Platz für neue Nutzungen. Die Konversion des fast 20 Jahre lang leerstehenden Gebäudes zeigt, dass sich ein ungenutzter Zweckbau dank durchdachter Lösungen in einen energetisch vorbildlichen Bau umwandeln und revitalisieren lässt.

jb

Zwischen Rhein und Neckar liegt die Barockstadt Mannheim, im Zentrum das ehemalige Residenzschloss und die im quadratischen Raster angelegte historische Altstadt. Unweit der Innenstadt erhebt sich im Mannheimer Hafengebiet direkt am Rheinufer ein prägnantes, rostrot umhülltes Gebäude: der Speicher 7, benannt nach der Adresse Rheinlandvorstraße 7. Als Notgetreidespeicher wurde der Betonkubus mit Silo und Schüttboden 1957 errichtet. Hier lagerte ein Teil der nach dem Ernährungssicherstellungsgesetz (ESG) angelegten Bundesreserve Getreide – bis zu 11 027 t. Entsprechend voluminös ist der ehemals nüchterne, 76 m lange Zweckbau. Gut vierzig Jahre wurde er als Lagergebäude genutzt. Nach Ende des Kalten Krieges blieb das Gebäude jedoch ohne Nutzung und stand seit den frühen 1980er-Jahren leer, verweilend im Dornröschenschlaf. Trotz vieler Umnutzungspläne überzeugte erst das Sanierungskonzept des Architekturbüros Schmucker und Partner Planungsgesellschaft, Mannheim. Auch in Mannheim ansässig ist die Bauherrin, die Rhein-Kai-Speicher GmbH.

Architekt Peter Schmucker betont die Lage als Besonderheit: „Der Rheinlandvorspeicher an der Schnittstelle von Industrie, Stadt, Hafen, ICE-Trasse und Fluss ist hier das einzige Gebäude, in dem Büronutzung plus Hotelbetrieb plus Restaurant möglich ist.“

Das siebengeschossige Gebäude befindet sich in direkter Rheinuferlage zwischen Waldpark und Containerhafen an der Hauptanlegestelle der Flusskreuzfahrtschiffe. Etwa 75 000 Touristen pro Jahr gehen zu Füßen des einstigen Notgetreidespeichers von Bord. Das ehemalige Industriegebäude beherbergt nach der Konversion zum Gewerbegebäude Gastronomie, Hotel und Büros. Der umgenutzte Speicher 7 fungiert städtebaulich als kultureller Brückenkopf zwischen Innenstadt und Hafen.

Die neue Nutzungsstruktur ist am Bestand des Gebäudekomplexes orientiert. Der Speicher 7 bietet mit ca. 24 2000 m³ Brutto-Rauminhalt (BRI) und ca. 6 720 m² (ohne UG) Brutto-Grundfläche (BGF) viel Raum und Fläche für den neuen Gebrauch. Dabei blieb fast die Hälfte des Baukörpers, der alte Silotrakt, größtenteils unverändert. Beim Silo beschränkt sich die Nutzung auf jeweils einen Teil des Unter- und Erdgeschosses: Im Untergeschoss befinden sich anmietbare Veranstaltungsräume, im Erdgeschoss das Restaurant. Im Rahmen der umfangreichen Sanierung und Umgestaltung wurde beim gesamten Neunutzungskonzept viel Wert darauf gelegt, den industriellen Charakter des Gebäudes zu bewahren. So wurde die raumprägende Bestandsstruktur ebenso erhalten wie die Mehrzahl an Originaloberflächen: Bei den Innenräumen wurde das Betonskelett ausgebessert, aber unverkleidet belassen. Die für die veränderte Nutzung notwendigen Einbauten sind klar ablesbar als Addition zum Bestand.

Wesentliche Idee zur wirtschaftlichen Umsetzung war, die alten Silos, die fast die Hälfte des umbauten Volumens ausmachen, ohne Nutzung zu belassen. Der ehemalige Notgetreidespeicher beherbergt jetzt Büros und ein Hotel mit Restaurant.

Der Teil des ehemaligen Schüttbodens, wo das Getreide horizontal gelagert wurde, bildet den Mittelpunkt des Umnutzungskonzepts. Das Erdgeschoss, 1. und 2. OG nimmt ein Hotel mit Foyer, 20 individuell gestalteten Zimmern und Lounges sowie angeschlossener Bar ein. Im 4. bis 6. OG sind Büroräume untergebracht. Über die gesamte Länge und Breite des siebten Geschosses erstrecken sich weitere großzügige Büroräume: Hier ist das Architekturbüro Schmucker und Partner selbst mit seinen rund 60 Mitarbeitern eingezogen. Ringsum verglast, fällt viel Licht in die Räume und bietet sich ein Panoramablick u. a. auf das gegenüberliegende Ludwigshafen. Für eine energetisch optimale Lösung wählten die Architekten für alle Fenster des Gebäudes eine Dreifachwärmeschutzverglasung mit außenliegendem Sonnenschutz. Die Fensterprofile basieren auf Schüco FW50+SI und Schüco AWS 75SI als Sonderkonstruktionen.

Niedriger Wärmebedarf

Das bestehende Speichergebäude wurde nach dem Standard EnergiePlus-Haus saniert. Der Wärme- und Kältebedarf liegt durch die Konzeption deutlich unter den gesetzlichen Anforderungen. Der Primärenergiebedarf beträgt lediglich Qp = 147 kWh/m²a. Eine sowohl energetische als auch gestalterische Maßnahme ist die vorgehängte hochwärmegedämmte Fassadenverkleidung aus rostfarbenen, gewelltem Cortenstahl, die den Betonkubus auf 3 000 m² umhüllt. Die mit 18 cm starker, nicht brennbarer Mineralwolldämmung versehene hinterlüftete Stahlfassade vom finnischen Hersteller Ruukki erfüllt gleichermaßen den Wunsch, den Speicher weiterhin in seine Hafenumgebung einzufügen, sowie die Erfordernisse an den Klimaschutz. Auf der wasserseitig gelegenen, unverschatteten Süd-Westseite fügen sich in die Fassade integrierte Photovoltaik-Module harmonisch zu einer 700 m² großen Fläche zusammen. Die gestalterische Wirkung ähnelt einem überdimensionierten Fenster, in dem sich Wasser und Wolken spiegeln.

Regenerative Energieversorgung

Die vertikal integrierte Photovoltaikanlage StoVentec Artline Inlay erzeugt den Strom für die Wärmepumpe, die das Gebäude kühlt und beheizt – und zwar mit Rheinwasser. Das Wasser hierfür wird zwei Brunnen entnommen und über das ehemalige Pegelbauwerk wieder in den Fluss eingeleitet. Insgesamt 400 dezentrale Umwälzpumpen von Wilo sorgen für die gleichmäßige Verteilung. Bauteilaktivierte Decken, Wände und Böden temperieren die Räume. Unter dem Strich liefern die Anlagen mehr Energie als das Gebäude benötigt.

Als Gegenpol zur Photovoltaikfläche auf der Wasserseite wurde auf der nord-östlich ausgerichteten Landseite mit direkter Blickbeziehung zur ICE-Trasse von der Grafittikünstlergruppe „Case“ ein 700 m² großes Kunstwerk direkt auf die Bestandswände des ehemaligen Speichers gesprüht – nach Vorbehandlung mit Caparol-Haft- und Tiefgrund. Im Motiv, zwei Mädchenköpfe vor blauem Himmel, ist das Thema Quadrate in den Gesichtern aufgenommen – eine Anlehnung an den Beinamen Mannheims „Quadratestadt“.

Man mag sich bei der Wandlung vom grauen Kubus zum heutigen Speicher 7 an das Märchen von Hans Christian Andersen erinnert fühlen, bei dem ein grauer Wasservogel sich nach gewisser Zeit zum bemerkenswerten Blickfang entwickelt. Bei der Umnutzung des ehemaligen Getreidespeichers verlief die Wandlung jedoch nicht von selbst, sondern gelang durch die durchdachte Gestaltung der Architekten Schmucker und Partner. Nicht nur die äußere Erscheinung betreffend wurde das Gebäude am Rheinufer überarbeitet, sondern auch in energetischer Hinsicht. Beim Speicher 7 verbinden sich historische Industriearchitektur, behutsame Erneuerung sowie innovatives Energiekonzept und Nachhaltigkeit zu einem stimmigen Gesamtprojekt. Das um- und weitergenutzte Gebäude überzeugt städtebaulich, durch sensible Umgestaltung sowie in energetischer Hinsicht. Im Jahr 2013 vergab die Architektenkammer Baden-Württemberg dafür die Auszeichnung „Beispielhaftes Bauen“. Auch die Stadt Mannheim zeichnete das revitalisierte Gebäude als besonders vorbildhaft aus: mit dem ersten Platz des Umweltpreises.

Architekturbüro:
Schmucker + Partner Planungsgesellschaft mbH, Lothar, Andreas und Peter Schmucker, Mannheim

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