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Experimentelle Qualität

Umbau eines Pferdestalls zum Atelierhaus in Berlin-Treptow
Experimentelle Qualität

Raum für kreativen Rückzug bei gleichzeitiger Präsenz nach außen war für ein Gartenatelier in Treptow gewünscht. Spiegelpolierte Edelstahlpaneele an der Fassade reflektieren den jahreszeitlichen Wandel und geben vom Inneren wenig preis. Die Sonderlösung mit abgekanteten Paneelen ist als vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF) konstruiert. Die Sanierung wurde mit dem Deutschen Fassadenpreis 2009 für VHF ausgezeichnet.

Das Atelierhaus ist Bestandteil eines zentral gelegenen Villenensembles in Berlin-Treptow. Ehemals als Stallgebäude genutzt, steht das zweigeschossige Haus an der rückläufigen Grundstücksgrenze unmittelbar am Treptower Park. Aufgrund seiner Abgeschiedenheit unter dichtem Baumbestand ist das Refugium idealer Ort für kreatives Arbeiten. Das Atelierhaus wurde von bucher + wienke in Kooperation mit franke architekten, Berlin, bewusst mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade konzipiert. So konnte der schlichte Mauerwerksbau mit einer völlig eigenständigen Gebäudehülle in das historisch gewachsene Ensemble eingefügt werden.

Was als kleine, fast profane Bauaufgabe im Ergebnis besticht, ist im Detail die fachgerechte Umsetzung einer architektonisch komplexen, fast künstlerisch anmutenden Fassade, die ein Höchstmaß an Präzision und Sachverstand seitens des ausführenden Fachbetriebs erforderte. Mit Karl Dieringer Blechbearbeitung aus Berlin holten die jungen Architekten ein Familienunternehmen ins Boot, das auf über 100-jährige Erfahrung in der Ausführung hochwertiger Metallfassaden und der Zulieferung von Blechbauteilen für Dach und Fassade blickt.
Spiegelnde Gebäudehaut
Schon von weitem deutet eine prägnante, die Umgebung und Jahreszeiten reflektierende Bekleidung aus spiegelpolierten Paneelen auf die besondere Art der Nutzung hin. Um diese zu betonen, sah der Entwurf der Architekten eine bis ins Detail ausgeklügelte Gebäudehülle aus Metall vor. Ziel war, den schlichten, kubischen Baukörper mit leicht geneigtem Pultdach so zu transformieren, dass er allein durch die Fassade mit der Außenwelt in Bezug tritt. Keine unnötigen Gebäudeeinschnitte, keinerlei Attikaausbildungen, keine sichtbaren Wasserführungen und nur ein geringer Anteil an Öffnungen sollten das präzise Erscheinungsbild der spiegelnden Gebäudehaut stören.
Irritationen und Lebendigkeit erzeugen nun allein die reflektierende Materialität der Fassade und ihre intelligente Anordnung. Unterschiedlich breite Paneele erzeugen ein nicht einheitliches, eher wie zufällig verlaufendes aber genau austaxiertes Fugenbild, sprich die Verlegung der Metallpaneele erfolgte im wilden, doch durchdachten Verband. So sind an der Fassade die notwendigen vertikalen Fugen blockweise versetzt angeordnet, die einzelnen Blöcke entsprechen keinem durchlaufenden Raster. Außerdem verlaufen die Paneele wie eine Stülpschalung schräg, was sich auch auf die Reflexionen und Spiegelungen auswirkt. Denn, wie Dipl.-Ing. (BA) Christopher Kern, Juniorchef im ausführenden Betrieb treffend bemerkte: „das Auge verguckt sich in Ungleichmäßigkeiten.“
Gezackte Eckausbildungen, die einer geschuppten Drachenhaut ähneln, präzise Fensterlaibungen, teils durch die Fassade verdeckte Fenster, dies alles erforderte einen Fassadenaufbau, bei dem der Fachbetrieb seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen konnte. Während Architekturmodelle die gewünschte Anmutung verdeutlichten, setzte der Fassadenbauer die Möglichkeiten des Materials und seiner Verarbeitbarkeit dagegen. In einem sich gegenseitig befruchtenden Prozess konnte ein alle Seiten überzeugendes schillerndes Kleinod aus Edelstahl realisiert werden.
VHF mit Edelstahl-Bekleidung
Eine vorgehängte hinterlüftete Fassade ist ein bewährtes System, das offen ist für innovative Vorstellungen seitens der Architekten. Der dreischichtige Aufbau der VHF mit Unterkonstruktion, Hinterlüftung und Wärmedämmung ermöglicht gerade bei Sanierungen die Sicherung der Bausubstanz effektiv und nachhaltig. Das System lässt sich individuell auf die jeweiligen energetischen und gestalterischen Anforderungen des Gebäudes und seiner Nutzung abstimmen. In Treptow etwa verläuft, bis auf die Giebelseite, die Entwässerung unsichtbar im Hinterlüftungsraum der VHF. Auch rund um Fensterbänke und Türen wird kontrolliert über Fallrohre in den Fassadenzwischenräumen entwässert.
Das Dach, ein hinterlüftetes Foliendach auf Holzsparren mit Dampfsperre und Dämmung sowie einer Deckung aus großformatigen, 3 mm dicken, blanken Aluminiumtafeln, ließ sich direkt und ohne störende Übergänge an die Fassade anschließen. Für deren prägnante Bekleidung wählten die Architekten einfache Glattbleche aus poliertem Edelstahl, der in Japan hergestellt wurde. Dieser dünne Edelstahl erhält durch ein elektrochemisches Verfahren eine sehr hohe spiegelnde Oberflächenqualität. Der edle Werkstoff stand wirtschaftlich vertretbar in großen Tafeln zur Verfügung. So wurden für die Verlegung verschiedene Formate in drei unterschiedlichen Längen gewählt, damit konnte der Zuschnitt so optimiert werden, dass teurer Verschnitt vermieden werden konnte.
Die spiegelpolierten Edelstahlpaneele sind unempfindlich, korrodieren nicht und sind auch resistent gegen Umwelteinflüsse. Sie können allerdings aus optischen Gründen weder geschraubt noch genietet werden. Die Lösung war eine vorgehängte hinterlüftete Fassade, bei der die gekanteten Paneele als Bekleidung verdeckt an der Befestigung befestigt, geklebt und mechanisch gesichert wurden. Durch die räumliche Kantung mit einem langen und kurzen Schenkel erhalten die Fassadenelemente ihre Stabilität, so dass mit relativ dünnen Edelstahlblechen ohne zusätzliche Aussteifung gearbeitet werden kann.
Umsetzungsdetails
Das alte Stallgebäude in Berlin-Treptow, ein Mauerwerksbau, wurde mit einer mineralischen Dämmung energetisch ertüchtigt und mit einem Vlies kaschiert. Als Unterkonstruktion für die Paneele montierten die Fassadenbauer nach statischen Erfordernissen Winkelprofile mit speziellen Mauerwerksdübeln an der tragenden Außenwand. Zwischen diese horizontal montierte Wandhalter verlegten sie vertikal Trapezbleche. Es handelt sich also um eine vollflächige Unterkonstruktion, in die in einem zweiten Schnitt Fenster und Türen eingeschnitten wurden.
Als individuelle Elemente der Fassade in Treptow mussten die Edelstahlpaneele gekantet werden. Mittels Softwareprogramm wurden die Konturen abgewickelt und ein CNC-Programm erstellt. Anschließend konnten die flachen Bleche gelasert und in einem nächsten Arbeitsschritt mehrfach abgekantet werden. Allen Bekleidungselementen wies das technische Büro des Fassadenbauers Positionsnummern zu, die dann einen reibungslosen Ablauf auf der Baustelle und die genaue Zuordnung der Fassadenbekleidungselemente an ihrem spezifischen Ort ermöglichte.
Besonders die kantigen Eckausbildungen erforderten höchste Aufmerksamkeit. An diesen aufeinander zulaufenden Ecken sind die Paneele auf Gehrung geschnitten und gleichzeitig nach innen gekantet, so dass nicht hinter die Metallfassade geblickt werden kann. Zusätzlich wurden vor Ort alle Fugen mit einem schwarzen Fugenband unterlegt und die Bekleidung von oben nach unten montiert, wobei die Paneele ineinander gesteckt und nicht sichtbar rückseitig befestigt wurden.
Einblicke – Ausblicke
Um eine flächige Fassadenansicht zu erhalten und im Atelier weitgehend ungestört arbeiten zu können, wurden nur gezielt Öffnungen gesetzt. Wo sie gestalterisch nicht erwünscht, aber aus Gründen der Luftzufuhr und für Fluchtwege wegen des Brandschutzes erforderlich waren, konzipierten die Architekten ‚Tapetenfenster’. An diesen Stellen lässt sich im Bedarfsfall ein ganzer fenstergroßer Fassadenausschnitt nach oben klappen. Hierzu wurden vor die Fenster eine Art Kasten als Vorsatzschale eingeplant, der jeweils wie die Fassade mit den Edelstahlstreifen beplankt ist. Schlitze im unteren Paneelteil, die bei geöffnetem Fenster auch als Lüftungsschlitze funktionieren, ermöglichen Ausblicke von innen auch bei ungeöffneter Fassade.
Über dem Ostgiebel verlängert eine neu errichtete Auskragung das Gebäude über die darunter liegenden Räume hinaus. Aller Geschlossenheit zum Trotz ist der Teil dieser Giebelseite voll verglast. Auch hier besteht die umlaufende Fensterlaibung aus Edelstahlblechen, die zur Öffnung hin eingepasst wurden und die Scheibe wie einen großen Spiegel umrahmen.
Die Arbeit der Architekten wurde inzwischen durch den Deutschen Fassadenpreis 2009 für VHF honoriert: „Das kleine Atelierhaus nutzt die vorgehängte hinterlüftete Fassade ganz bewusst, um mit seiner Umgebung in Bezug zu treten. Dabei besticht die experimentelle Qualität der Gebäudehülle…“
Architekten: buchner + wienke architekten, Berlin, In Kooperation mit franke architekten, Berlin
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